Ingolstadt
Die Premier League von Ingolstadt

Ein ganz spezieller Sport: Spieler aus Indien und Pakistan treffen sich in einem Park regelmäßig zum Cricket

30.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:43 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Es erinnert ein wenig an Baseball, doch mit der bekannten US-amerikanischen Sportart hat das Spiel nicht viel mehr zu tun – im Ingolstädter Hindenburgpark regiert stattdessen das britische Commonwealth. Seit gut zwei Jahren spielen dort junge Inder und Leute aus Pakistan Cricket.

Mit Schwung schmeißt ein Spieler den Ball, der setzt kurz vor dem Schlagmann – gerade steht Prashanth Mohan Sangem auf dieser Position, die rote FC-Bayern-Kappe tief ins Gesicht gezogen – auf dem Boden auf und springt nochmals hoch. Das Ziel sind drei Holzstäbe hinter dem Schlagmann: Trifft der Werfer dieses sogenannte Wicket, scheidet der Schlagmann aus. Trifft hingegen der Sportler mit dem Holzschläger den Ball, kann dieser für seine Mannschaft punkten, indem er Fersengeld gibt: Er muss dann zwischen dem anderen Wicket neben dem Werfer und seinem Schlagmal hin und her laufen, bis der Ball zurück beim Werfer ist. „Es ist leicht, den Ball so zu schlagen, dass er weit fliegt“, sagt Sangem siegessicher. Tatsächlich erwischt er den Ball ziemlich gut, schlägt ihn bis weit über das Spielfeld hinweg – die Feldspieler setzen sich gleich gar nicht in Bewegung.

In ihren Heimatländern ist Cricket Volkssport, die Gruppe im Hindenburgpark trifft sich allerdings recht zwanglos. Ein- bis zweimal die Woche trainieren sie. „Wir spielen in der Ingolstadt Premier League“, scherzt Sangem. Gut, da es eigentlich nur diese eine Mannschaft in der Schanz gibt, ist der Titel als Spitzenreiter der Ersten Ingolstädter Liga entbehrlich. Der Reiz am Cricket bleibt für die bunt gemischten Laiensportler trotzdem der gleiche: „Die Geschichte ist nie zu Ende“, sagt Sangem. Zahlreiche Regeln, Mannschaften aus Indien, Pakistan, Südafrika, Großbritannien, Australien und vielen anderen Ländern, manche Spiele dauern fünf Tage – Cricket habe immer etwas Neues im Angebot, nie werde es langweilig.

„In Städten wie München, Regensburg und Hamburg gibt es eigene Mannschaften“, erzählt Shivraj Allagi. Er studiert an der Technischen Hochschule in Ingolstadt. „In kleineren Städten wie hier ist es allerdings schwieriger.“ Etwa drei dutzend Leute treffen sich zum Cricket, alle sind jedoch nur selten da. Er selbst spielt Cricket, seit er ein kleiner Junge war. „Ich bin mit sechs Jahren in einen Verein gekommen“, erinnert er sich. Das war noch in Indien. „Das ist eigentlich schon recht spät – die Leute sind einfach verrückt nach Cricket.“ Und selbst in Deutschland können sie ohne ihren Sport nicht – und die Cricket-Spieler nehmen dazu auch einiges auf sich: Die Ausrüstung gibt es in der Bundesrepublik nicht zu kaufen, Schläger, Bälle und andere Utensilien holen sie sich daher noch aus der Heimat. „Aber wir spielen ohne Schutzkleidung“, sagt Allagi. Denn eigentlich ist der Ball eine kleine, harte Lederkugel; die Schanzer Cricket-Spieler nutzen aber lieber einen Tennisball zum Training. „Der kann aber auch ganz schön wehtun“, gesteht Allagi.

Auch Chetan Alatagi spielt jede Woche im Hindenburgpark. „Wir haben viele Religionen“, erzählt er mit einem Grinsen. „Und Cricket ist eben eine davon.“ Seit dem vergangenen Sommer gehört er zur Gruppe. „Ich bin im Juni nach Ingolstadt gekommen – und gleich mein erstes Wochenende habe ich hier gespielt.“ Er steht in der Schanz sogar häufiger auf dem Spielfeld als er es noch in Indien getan hat. „Ich bin erst ein Jahr hier, aber ich fühle mich schon wie zu Hause.“

Alatagi arbeitet bei Media Saturn, wie einige andere der Cricket-Spieler. Denn eigentlich hat ein Mitarbeiter des Elektronikunternehmens die Schanzer Cricket-Gruppe überhaupt erst ins Leben gerufen: Vor gut drei Jahren lud ein Australier seine Kollegen zu einem ersten Match in den Klenzepark ein, ein paar Monate später kamen die indischen und pakistanischen Studenten der Hochschule dazu. Die Mannschaft wurde so groß, dass sie auf die Wiese neben dem Hetschenweiher im Hindenburgpark umziehen musste.

Unter die internationale Gruppe mischt sich auch der eine oder andere Deutsche. Christopher Rauh ist auch über Media Saturn zu den Cricket-Spielern gekommen. „Ich hatte viele Kollegen aus den Commonwealth-Ländern“, sagt er. Da sei er in die Mannschaft hineingerutscht. Inzwischen arbeitet er in München. Trotzdem kommt er hin und wieder zurück nach Ingolstadt, zu seinen ehemaligen Kollegen und seinem lieb gewonnenen Hobby. Er ist inzwischen ein treuer Anhänger der Cricket-Religion.