Pfaffenhofen
Die Perlenkönigin von Scheyern

02.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:08 Uhr

Hoch konzentriert und mit viel Geduld fertigt Elisabeth Kletzander kleine Kunstwerke. Zur Zeit beschäftigt sie sich am liebsten mit Drahtarbeiten aus Gold und Silber.

Pfaffenhofen (PK) Wo andere Menschen alte Fahrräder oder den Christbaumschmuck vom letzten Weihnachtsfest lagern, liegen im Keller von Elisabeth Kletzander zehntausende bunte Perlen. Alle fein säuberlich in Schächtelchen verpackt. Daneben alte Stoffballen, goldene Drähte und andere kleine Schätze – mehr wohl als in jedem Bastelladen weit und breit.

An den Tag, an dem sie die Begeisterung für ihr Hobby ergriffen hat, kann sich Elisabeth Kletzander nicht mehr erinnern. Es muss wohl vor gut 20 Jahren gewesen sein – mitten unterm Hausbau. Eine Bekannte nahm sie damals mit zu einem ersten Kurs über Klosterarbeiten. Eigentlich hatte sie damals keine Zeit für solche Dinge, doch seitdem ist die barocke Kunstfertigkeit aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken. "Ich hab mich dann immer zwischen Bauarbeiten und meinem Beruf in München mit den Klosterarbeiten beschäftigt", blickt Elisabeth Kletzander zurück.

Doch dieser Stress ist lange vorbei: Die Künstlerin sitzt in ihrem Wintergarten mit Blick auf den Scheyrer Kirchturm. Vor ihr auf dem Tisch liegen ihre Arbeitsutensilien: goldene und silberne Drähte – alles mit echtem Edelmetall überzogen, darauf legt sie größten Wert – verschiedene Perlen sowie die benötigten Schnittmuster. Durch ihre rote Lesebrille blickt sie konzentriert auf ihr angefangenes Werkstück, ein goldenes Blatt, nicht größer als ein Cent-Stück und im Stile ihres großen künstlerischen Vorbildes, des oberpfälzer Fraters Adalbert Eder.

Sobald die 63-Jährige über ihr Hobby zu erzählen beginnt, leuchten ihre Augen. Sie vergisst alles um sich herum und kann vor Begeisterung nicht mehr aufhören, ihrem Gegenüber ihre große Leidenschaft, die Klosterarbeiten, näher zu bringen: "Zur Zeit mache ich am liebsten Drahtarbeiten aus Gold und Silber."

Prunkvolle Kleider

Die Künstlerin erzählt, wie sie kleinen Wachsfiguren prunkvolle Kleider anzieht, nimmt ein Exemplar von ihrer Kommode und lüftet dessen Rock: Kleine Wachsfüße, Unterwäsche, Unterrock, alles hat sie bis ins letzte Detail liebevoll verziert – auch die auf den ersten Blick nicht sichtbaren Stellen. "Ich mache die Arbeiten so, dass sie prunkvoll aussehen", meint Elisabeth Kletzander und stellt die Figur zurück zu ihren anderen Schätzen, die sich auf der Kommode reihen. Schön angeordnet stehen hier einige ihrer sakralen Werke, wie ein mit Gold und Silber reich verziertes Agnus Dei Bild, oder auch Buntes zu Ostern, wie etwa mit rotem und grünem Stoff bezogene und verzierte Eier.

Fragt man Elisabeth Kletzander nach ihrer Inspiration für ihre Werke, kommt sie unweigerlich auf Frater Eder zu sprechen: "Seine Werke aus der Barockzeit sind das Nonplusultra der Klosterarbeit." Das Ziel ihrer jahrelangen Arbeit sei es gewesen, dem großen Meister möglichst nahe zu kommen.

Bis vor fünf Jahren hat sie dafür mehrmals im Jahr Kurse über das barocke Kunsthandwerk besucht. Zu Beginn ihres Hobbys noch in der näheren Umgebung. Doch mit der Zeit verbessert sich ihre Arbeit immer mehr, die Anfängerkurse reichen ihr nicht mehr aus, Elisabeth Kletzander möchte mehr. In Deutschland kann sie ihren Traum von perfekten Klosterarbeiten nicht verwirklichen, nur in den österreichischen Klöstern Reichersberg und Schlierbach kann man ihr noch etwas beibringen. "Ich bin immer dahin gegangen, wo ich etwas fundiert gelernt habe", sagt sie. Bis zu sechs Mal im Jahr fuhr sie zusammen mit ihrem Mann Franz nun in die Klöster, um sich dort weiterzubilden.

Mehrere hundert Arbeiten hat Elisabeth Kletzander bereits angefertigt, für sich selbst und für Kunden, die Klosterarbeiten bei ihr bestellt haben. Wie alle Künstler trennt sie sich ungern von ihren Werken: "Es gibt Dinge, die gebe ich nicht her, aber ich will auch nicht das ganze Haus mit Klosterarbeiten zupflastern." So fährt sie zwei Mal im Jahr auf Ausstellungen in die Münchner Residenz und verkauft schweren Herzens einige ihrer guten Stücke.

Seit Anfang des Jahres ist Elisabeth Kletzander in Rente. Doch von Langeweile ist in ihrem Leben keine Spur: "Diese Woche war ich schon auf drei Konzerten." Elisabeth Kletzander möchte weiterhin aktiv bleiben, so leitet sie bei der Katholischen Erwachsenenbildung mehrmals im Jahr Kurse über die barocke Klosterarbeit: "Das ist immer ein nettes Zusammenkommen."

Zu Ostern hat sie sich etwas ganz besonderes für ihre Schülerinnen ausgedacht: Die Kunsthandwerkerin kreierte ein Gänseei, natürlich nach ihrem Vorbild Frater Eder, mit vielen goldenen Schmuckornamenten. An mehreren Abenden sitzen dann ihre Schülerinnen, eine Runde von fast zehn Damen, zusammen in ihrem Wintergarten oder auch mal im Haus der Begegnung, und versuchen sich an ihren eigenen Klosterarbeiten. "Den Draht etwas fester wickeln" – Elisabeth Kletzander wandert an solchen Abenden von einer Kursteilnehmerin zur anderen und gibt praktische Tipps.

Geduldig arbeitet die 63-Jährige in ihrem Wintergarten weiter an goldenen Blättern und Blüten. Sie befestigt eine Mignadise, einen wenige zehntel Millimeter dicken Draht, der wie eine goldene Borte aussieht, mit einem anderen, noch dünneren Draht an ihrem Werkstück. Für solche Arbeiten reicht ihr oft die rote Lesebrille nicht mehr aus. Mit Lupe und Pinzette beugt sich Elisabeth Kletzander tagelang über eine Klosterarbeit, bis sie endlich den finalen Handgriff an ihrem Kunstwerk anlegen kann.

Der Mann hilft mit

"Sie hat dazu die Geduld", beschreibt sie ihr Mann Franz, der seine Frau oft tatkräftig unterstützt. Mit der Zeit haben die barocken Klosterarbeiten auch ihn gefesselt, er war ja bei den Kursen in Österreich meistens dabei: Als seine Frau Elisabeth damals gelernt hat, filigrane Drähte passend zurechtzubiegen, Eier mit edlen Stoffen zu überziehen oder mühsam Perle für Perle zu reich verzierten Blüten zusammenzufügen, beschäftigte er sich mit handfesteren Arbeiten. "Mein Mann ist dabei ein ebenso pedantischer Arbeiter wie ich", gesteht die Kunsthandwerkerin ein. Franz Kletzander ergänzt die Werke seiner Frau. Er sorgt für das perfekte Äußere der Kunstwerke, baut etwa passende Sockel oder Rahmen und vergoldet diese.

Früher gingen die beiden noch auf die Suche nach passenden Materialien. "Wenn wir mit dem Auto unterwegs waren, musste mein Mann sofort anhalten, wenn ich etwas neues entdeckt habe", beschreibt die Künstlerin ihren Jagdtrieb nach möglichst originalen Stoffen, Perlen oder schönen Drähten aus Edelmetall.

Selbst kurz vor der Abfahrt bei ihrer Silberhochzeitsreise ins Tessin verschwand Elisabeth Kletzander noch auf dem Pfaffenhofener Flohmarkt, um nach einigen guten Stücken Ausschau zu halten – das Jagdfieber hatte sie gepackt, ihr Mann musste warten.

"Ich hab jetzt ein gutes Polster, mir geht so schnell nichts aus", sagt die 63-Jährige und schaut verschmitzt lächelnd ihren Mann an. Irgendwann muss auch mal eine Grenze sein – da sind sich die beiden einig. Im Keller stapeln sich ja schon zehntausende bunter Perlen, die verschiedensten Stoffe und alles, was noch so nützlich für die kleinen Kunstwerke sein könnte.