Ingolstadt
"Die Papierkorbwaffel ist sehr begehrt"

Das Sams verspeist auf der Bühne Krawatten, Schlüssel und Papier - Wie geht das eigentlich?

23.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:04 Uhr
Blaue Punkte, blauer Mund: Die Lebensmittelfarbe auf der essbaren Tasse hatte auf das Sams (Constanze Rückert, Mitte) so abgefärbt, dass man später auf die Verzierungen verzichtete. −Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Das schreibt sich so schnell hin: Dass das Sams an Lederhosen knabbert und Fenstergriffe mit der gleichen Hingabe verspeist wie Würstchen. Wer Paul Maars mittlerweile auf neun Bände angewachsene Reihe über das freche Sams liest, der kann sich das auch gut vorstellen. Aber wie soll das denn auf der Bühne gehen? Das Stadttheater Ingolstadt hat Paul Maars Kinderbuchklassiker "Eine Woche voller Samstage" als Familienstück gewählt, und auch im Großen Haus ist kaum etwas vor den Heißhungerattacken des Sams' gefeit. Wenn das Sams herzhaft in Herrn Taschenbiers Papierkorb beißt, an seiner Krawatte nagt und zum Schluss sogar eine Tasse ratzeputz auffrisst, dann herrscht im Publikum großes Staunen.

Wie macht man das eigentlich mit dem Essen? Zunächst mal überlegt man bei den Proben, wann, wo und was das Sams alles essen könnte, erklärt Regisseurin Julia Mayr. "Das haben wir dann auf die Momente reduziert, die einen guten Effekt hatten, also wo das Essen nicht einfach nebenbei passiert." Lange musste Sams-Darstellerin Constanze Rückert bei den Proben aber nur so tun als ob. Erst gut eine Woche vor der Premiere hatten die essbaren Materialien ihren ersten Einsatz.

Zum Beispiel der Papierkorb, der schon mal vor Jahrzehnten in einer "Sams"-Produktion in Ingolstadt Verwendung fand. Requisiteur Markus Jordan hatte sich auf die Suche nach ihm gemacht - und ihn gefunden. Bei dem Abfallbehältnis wird eine Seite durch eine essbare Waffelplatte ersetzt. Wenn nach der Vorstellung die Reste vom ganzen Team verspeist werden dürfen, ist die Papierkorbwaffel übrigens sehr beliebt.

Das Papier aus Obersteins Büro ist natürlich Esspapier. Aber Esspapier ist nicht gleich Esspapier, mussten die Theaterleute feststellen. Die eine Sorte war zu zuckrig. "Die hat mir komplett den Gaumen verklebt", erinnert sich Constanze Rückert. Die andere schmeckte seifig und wurde im Mund unangenehm schnell flüssig. Jetzt ist Esspapier im Einsatz, das nach nichts schmeckt. Der vermeintliche Bleistift ist in Wirklichkeit ein Grissini, verrät die Schauspielerin: "Das kann man gut essen."

In Obersteins Büro gibt es auch noch einen Schlüssel zu verspeisen. "Den ersten habe ich aus Kohlrabi geschnitzt", sagt Markus Jordan. Der zweite wurde aus Toastbrot ausgestochen. Schließlich hat Jordan eine Plätzchenform gebastelt, mit der Teig ausgestochen wird - deshalb gibt es jetzt gebackene Schlüssel in der Vorstellung.

Experimentiert wurde auch mit Herrn Taschenbiers Krawatte. Fruchtgummischnüre sollten es hier sein. Aber welche? Der Halsschmuck aus dünnen geflochten Schnüren wurde als zu aufwendig verworfen. Jetzt trägt der Sams-Papa halb-halb, die eine Hälfte der Krawatte ist fest, die andere Hälfte, von der das Sams herzhaft abbeißt, besteht aus angenähten breiten, sauren Fruchtgummistreifen. "Einmal habe ich mich daran verschluckt", sagt Constanze Rückert. "Diese Requisiten sind tatsächlich ein bisschen unberechenbar. Das Schwierigste ist, den Mund wieder schnell genug leer zu kriegen, damit man so deutlich sprechen kann, dass man mich auch in der 15. Reihe gut versteht."

Eigentlich sollte das Sams auch beim Waldspaziergang Bäume anknabbern. Das gestaltete sich als kompliziert, deshalb ist einer der Bäume jetzt so präpariert, dass man ein mundgerechtes Stück nach hinten wegklappen kann.

Und dann ist da noch die Sache mit der Tasse. Requisiteur Markus Jordan hatte eine kleine Schokoladentasse entdeckt, so groß wie ein Espressotasse - mit einem Henkel aus Papier. Beim ersten Versuch verschlang Constanze Rückert versehentlich Schokolade samt Papier. Weil bald klar war, dass für die große Bühne eine größere Tasse vonnöten sein musste, ist die Tasse, die das Sams nun mampft, aus Eiswaffel. Mit Lebensmittelkleber wird zudem auf jeden Becher noch ein Henkel geklebt. Problem gelöst?

"Wir hatten überlegt, dass die Tasse mit Verzierung noch echter aussehen würde", erzählt Julia Mayr. Mit blauer Lebensmittelfarbe brachte Markus Jordan also ein schönes Muster auf. Doch als Constanze Rückert das Gesamtkunstwerk verzehrte, war plötzlich alles so blau wie ihr Taucheranzug: Lippen, Zunge, Hände. "Das war ausgerechnet die Fotoprobe", erinnert sich die Regisseurin lachend. Jetzt wird die Tasse ohne Muster gegessen.

Übrigens: Weil das Sams im Stück so oft betont, wie sehr es Eisen liebt, bekam Constanze Rückert als Premierengeschenk von Taschenbier-Kollege Jan Sabo eine große Schraube samt Mutter - aus Schokolade. Sie lacht: "Die habe ich mir aber noch aufgehoben."

Vorstellungen von "Eine Woche voller Samstag" im Stadttheater Ingolstadt gibt es bis 6. Februar 2019. Neben zahlreichen Schülervorstellungen sind auch drei im freien Verkauf: 22. und 26. Dezember, 13. Januar. Kartentelefon (0841) 30547200.

Anja Witzke