Niederlauterbach
"Die Nacht hätte ich wohl nicht überlebt"

20.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:45 Uhr

Wolfgang Weiser (links) überreichte seinen Lebensrettern Raimund und Juliane Hartl einen großen Präsentkorb als Zeichen seiner Dankbarkeit.

Niederlauterbach (WZ) Den Wert des Lebens weiß erst zu schätzen, wer um ein Haar alles verloren hätte. Wolfgang Weiser aus Niederlauterbach ließ die Hoffnung nach einem schweren Reitunfall schon beinahe fahren, als ihm das Leben gerettet wurde – so dass nun ein neuer Abschnitt für ihn beginnt.

Es war am 1. Juni und liegt also gerade zweieinhalb Monate zurück, dass der 48-Jährige, der seit gut einem Jahr in Niederlauterbach lebt, ein echtes Schlüsselerlebnis hatte. Seit sechs Jahren reitet der passionierte Pferdefreund auf Criollo-Ranchpferden aus. Nie ist etwas passiert. "Ich dachte, ich hätte alles im Griff – aber dann so etwas", blickt er zurück auf seinen verhängnisvollen Soloritt, bei dem er offenbar auf ein falsches Gebiss vertraute.
 

Nach dem Angaloppieren war sein Pferd nicht mehr zu bremsen, rannte in ein Waldstück in der Nähe von Siebenecken, wo Weiser seine Tiere im "Pferdehof zur Linde" der Familie Hartl untergestellt hat. Der furiose Ritt endete für den Familienvater an einem Baum. Danach weiß er eine ganze Zeit lang gar nichts mehr.

"Als ich zu mir kam, war mir sehr schnell klar, dass es nicht allzu gut um mich steht", erinnert er sich an starke Schmerzen in der rechten Körperhälfte und an viel Blut im Mund. Zumindest war seine Orientierung noch in Ordnung. Mit dem Handy rief er zwei Freunde an, die sich beide sofort auf die Suche machten: der eine von Freising aus – und die Familie Hartl aus Siebenecken. Wolfgang Weiser schleppte sich zu einem bestimmten Rapsfeld, das Raimund Hartl bekannt war und informierte ihn mit letzter Kraft – kurz bevor es dämmerte. "Die Nacht hätte ich wohl nicht überlebt. Ich wurde zum Glück in letzter Minute gefunden und gleich in die Ilmtalklinik gebracht", berichtet der 48-Jährige weiter.

Was dort diagnostiziert wurde, hatte es in sich. Sechs Rippen waren gebrochen, der rechte Lungenflügel durchbohrt, das Zwerchfell gerissen, schwere Prellungen zu erkennen. "Ich hatte so viel Glück im Unglück. Alles ist gut verheilt, die Schmerzen werden immer weniger", kann er seinen Rettern gar nicht genug danken. Für Raimund Hartl, seine Frau Anita und die Töchter Juliane und Stefanie war es eine Selbstverständlichkeit, Hilfe zu leisten. Als Wolfgang Weiser ein Grillfest auf dem Pferdehof gab und den Helfern einen großen Präsentkorb überreichte, sagten sie nur: "Das wäre doch gar nicht nötig gewesen." Weiser ist schon klar, dass dieser Korb nur eine Geste sein kann und er seinen Lebensrettern gar nicht oft genug danken kann. Viel wichtiger ist ihm aber die eigene Erkenntnis, dass genau dieses Handeln in einer funktionierenden Gesellschaft unerlässlich ist.

"Ich werde mit Sicherheit nie mehr wegschauen und mehr Zivilcourage zeigen", versichert er. Auch sein eigenes Leben stellt er gerade um. Den Beruf nimmt der Niederlauterbacher, der bei den Stadtwerken München beschäftigt ist, nicht mehr so wichtig. "An erster Stelle steht für mich jetzt die Familie, die Gesundheit und allen voran meine Frau Klaudia, die bei dem Unfall viel mitgemacht hat", verspricht er ihr, das Leben fortan mehr zu genießen, kürzer zu treten und sich viel mehr Zeit für seine Frau und die drei Töchter zu nehmen.