Laisacker
Die Müllerin wird 70

Eigentlich hätte Kreisrätin Elfriede Müller ihren Ehrentag in Südafrika begehen wollen, das wird nachgeholt

22.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:34 Uhr
Feiert am Samstag 70. Geburtstag: Elfriede Müller. −Foto: CSU

Laisacker - Alles ist vorherbestimmt.

Das ist ein Grundsatz für Elfriede Müller. Wegen dieser Einstellung trifft es die Kreis- und langjährige, aber mittlerweile ehemalige Neuburger Stadträtin wahrscheinlich nicht so arg, dass sie ihren Ehrentag nicht groß feiern kann. An diesem Samstag wird sie 70 Jahre alt - und wäre am liebsten in Südafrika. "Dann fahren wir halt ein andermal da hin", sagt sie. Für sie wird ihr 70. ein ganz normaler Tag sein.

Das war vor genau zehn Jahren noch anders, da nämlich feierte Elfriede Müller gleich mit 100 Gästen. Klar, dass sie diese nicht bei sich und ihrem Ehemann Fritz zu Hause in Laisacker empfangen konnte. Der Gemeindesaal in Marienheim musste gebucht werden. Heuer, sagt die Jubilarin, wird sie vielleicht öfter mal rausgehen und Glückwünsche über den Gartenzaun hinweg entgegennehmen. Dass es zahlreiche werden könnten, ist wahrscheinlich, denn Müller war und ist nicht nur gesellig, sondern auch äußerst umtriebig. Die Energie, mit der sie ihre Projekte anpackt und vorantreibt, scheint auch mit 70 Jahren kein bisschen nachgelassen zu haben.

Vielleicht rührt ihre innere Kraft aus frühester Kindheit, denn schon der Heimweg war für die gebürtiger Bergheimerin - nicht in Neuburg-Schrobenhausen sondern im Kreis Dillingen - mitunter anstrengend. "Bergheim bedeutet auch Berg. Wenn wir heimgeradelt sind, haben wir uns oft ein Förderband gewünscht, das uns vom Bach auf den Berg raufbringt", scherzt sie. Kontakte in ihre jetzige Heimat hatte Müller damals bereits. "Unsere Schule hatte eine Brieffreundschaft mit der Schule in Bergheim im Landkreis Neuburg, das war wirklich nett", berichtet sie. Müller hatte wegen ihrer schönen Handschrift den Auftrag, die Briefe für ihre Schule zu schreiben. "Ich habe dann, als ich hierhergezogen bin, die Schreiberin des Bergheims bei Neuburg kennengelernt. "

Nach der Volksschule kam Müller mit zwölf Jahren auf eine private Klosterschule, nur zwei Kilometer entfernt von ihrem Dorf. "Da gab es auch ein Internat, aber ich bin jeden Tag heimgeradelt. " Als zweites von fünf Kindern der Familie musste sie früh Verantwortung übernehmen. "Meine zwei Schwestern sind elfeinhalb Jahre jünger als ich. Die habe ich schon mitaufgezogen. Andere sind zum Baden gegangen, ich muste Stoffwindeln aufhängen. Das waren schon immer Plaggeister", scherzt sie. Die Geschwister sind alle im Kreis Dillingen geblieben. "Und das ist auch gut so. Wir haben ein gutes Verhältnis und sind immer in Kontakt. " Das sei mit der heutigen Technik ja ganz einfach. "Ich habe in der Arbeit immer mit dem PC zu tun gehabt. Whatsapp ist für mich kein Problem", sagt sie. Sogar mit ihrer mittleren Enkeltochter, die jüngst ein Handy bekommen hat, tauscht sie sich über den Messenger aus.

Mit der Ausbildung nach der Schule war es so eine Sache, denn Elfriede Müller durfte zunächst keine machen. Der Vater hatte es ihr untersagt. "Er hat zu mir gemeint: Du heiratest eh mal und bist dann versorgt. Du brauchst nichts lernen", berichtet sie über eine Anordnung, der sie sich zunächst fügen musste. Der Vater sei sehr dominant gewesen. "Zum Essen hat er etwas zu trinken hingestellt bekommen. Wenn wir Kinder etwas wollten, dann haben wir fragen müssen. " Manchmal habe es auch ein Nein als Antwort gegeben. "Das war mir dann aber wurscht. Ich bin einfach in den Eiskeller gegangen und hab' mir ein Limo geholt, wenn er es nicht gesehen hat", berichtet Müller.

Sie hatte eigentlich Justizassistentin oder Rechtsanwaltsgehilfin werden wollen. Gearbeitet hat sie trotzdem, als Kontoristin im gleichen Büro wie ihr Vater. "Ich bin trotzdem meinen Weg gegangen. " Und ab 1968 ging sie diesen zusammen mit ihrem späteren Ehemann Fritz. Geheiratet hat das Paar 1972, damals waren die Müllers in Traunstein. Elfriede Müller fing bei einer großen Käserei als Sekretärin an. Danach verschlug es das Paar nach Neuburg, sie fing in der Molkerei an und wechselte schließlich in die Raiffeisenbank nach Ried, wo die Familie seinerzeit wohnte. Das private Glück vergrößerten bald die beiden Söhne Stefan und Christoph. Die umtriebige Elfriede Müller blieb nicht komplett für die Kindererziehung zu Hause, sie ging weiterhin arbeiten. Zwölf Jahre lang war sie im Anschluss bei einem Landmaschinenbetrieb. "In der Zeit habe ich auch angefangen mich neben Beruf und Familie weiterzubilden. Ich habe erst die Gehilfenprüfung als Hauswirtschafterin an der Abendschule gemacht, dann meinen Ausbilderkurs mit der Meisterprüfung. Alles nebenher. Vormittag Arbeit, mittags Kochen und Kinder versorgen, nachmittags der Haushalt. " Und abends habe sie sich ins Bett gelegt und gelernt. "Da hatte ich immer meine konstante Temperatur und es hat am besten geklappt", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Die Söhne und der Ehemann hätten sehr gut mitgezogen, sonst wäre all das gar nicht möglich gewesen.

Eine Bekannte habe sie schließlich gefragt, ob sie sich nicht als Hauswirtschaftslehrerin im neuen Neuburger Krankenhaus bewerben wolle. "Ich hab' mir gedacht, dass ich das eigentlich gar nicht kann. Aber die Freundin hat so lange auf mich eingeredet, bis ich hingegangen bin und mich vorgestellt habe. " Ohne Bewerbung, ohne Zeugnisse. Den Job hat sie 1990 gekriegt und ist den Kliniken St. Elisabeth bis 2012 treu geblieben. "Ich habe 30 Lehrlinge ausgebildet und bin stolz drauf und dankbar, dass ich das machen durfte. " Einen guten Kontakt hat sie zu den Klosterschwestern und ehemaligen Arbeitskollegen immer noch. "Wenn ich ins Kloster komme, dann darf ich mich selbst bedienen, ich weiß ja, wo alles steht", scherzt sie.

Mit dem Eintritt in den Ruhestand wurde es Elfriede Müller aber nicht langweilig, hatte sie doch immer noch die Politik. Über ihren Mann habe sie die richtigen Leute kennengelernt, nennt Elke Heyne und Richard Keßler. 1996 hat sie sich für den Stadtrat beworben und auf Anhieb den Einzug ins Gremium geschafft. Viele Jahre kümmerte sich als Referentin mit Eifer um die Neuburger Friedhöfe und hat dabei ein Projekt verwirklichen können, das ihr persönlich sehr am Herzen lag: eine Fötenbegräbnisstätte. "Ich hatte selbst einen Abgang und weiß, wie wichtig ein Ort ist, an dem man trauern kann", berichtet sie, auch heute noch sichtlich ergriffen von dieser traumatischen Erfahrung.

Ein zweites Steckenpferd der Lokalpolitikerin wurde der internationale Austausch, besonders die Reisen in andere Neuburgs haben es ihr angetan. Unter anderem war sie dadurch schon in Japan, Kanada und Südafrika. Das dortige Neuburg gefällt ihr besonders, weswegen sie dort eigentlich ihren 70. Geburtstag feiern wollte.

Ihren Rückzug aus der Stadtpolitik bereut sie nicht. "Man soll in Ehren aufhören. 24 Jahre waren genug und junge Leute bringen andere Ideen ein. Irgendwann fährt man sich fest und das soll nicht passieren. " Der Politik hat Elfriede Müller den Rücken aber nicht gekehrt, für die CSU sitzt sie in der zweiten Periode im Kreistag und ist dort Sozialreferentin.

Momentan ist Elfriede Müller auch schwer im Kampf gegen Corona beschäftigt: Die zweite stellvertretende Kreisvorsitzende des BRK - ehrenamtlich ist sie seit 1972 dabei - ist nämlich Teil der mobilen Impfteams. Als Verwaltungskraft dokumentiert sie genau, wen ihre Kollegen in den Seniorenheimen im Landkreis impfen.

SZ

Sebastian Hofmann