"Die Mobilität steht vor einer Zäsur"

12.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:49 Uhr

BMW-Chef Harald Krüger kann auf der Hauptversammlung zahlreiche Rekordwerte vorweisen. Viele Anleger machen sich trotzdem Sorgen: Auf dem Gebiet der Elektromobilität sehen sie Konkurrenten wie Tesla enteilen.

2016 ist für BMW das Jahr des großen Jubiläums: Heuer feiert der Münchner Autobauer sein 100-jähriges Bestehen. Die große Party fand bereits Anfang März statt - damals standen in allen Werken die Bänder still, damit die Mitarbeiter die Liveübertragung der aufwendigen Show aus der Olympiahalle sehen konnten. Ein klein wenig trübt die Feierstimmung aber weiterhin der VW-Abgas-Skandal - der einen Schatten auf die gesamte Autobranche wirft. Zuletzt musste auch der japanische Hersteller Mitsubishi Manipulationen beim Verbrauch eingestehen. Deshalb betonte BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer gleich zum Auftakt der Hauptversammlung, dass bei BMW kein "Defeat Device" - also eine Schummelsoftware - eingesetzt werde. Das Publikum applaudierte. Aber verhalten.

Wie alle anderen Autobauer, erwarten auch BMW tiefgreifende Veränderungen. "Die Mobilität steht vor einer Zäsur", sagte BMW-Chef Harald Krüger in seiner Rede. Er betonte, dass man zur 100-Jahr-Feier bewusst keine "Leistungsschau vergangener Tage" wollte. Man stehe an der Schwelle zu einer neuen Ära. Man wolle nicht länger nur Autoproduzent sein. Das nächste Ziel sei der Weg "hin zum führenden Anbieter von Premiummobilität und Premiumdienstleistungen".

Umsetzen will Krüger seine Pläne mit einer Weiterentwicklung der 2007 verabschiedeten Strategie "Number One". Der neue Titel: "Number One Next". Die Zäsur in der Mobilität sieht Krüger nicht nur in der Digitalisierung, sondern auch im Auftauchen neuer Wettbewerber. Auch wenn er Google und Apple nicht direkt erwähnt - die meisten wissen, wer gemeint ist.

Bei den meisten Unternehmenswerten steht BMW sehr gut da. 2,24 Millionen Automobile lieferten die Münchner im vergangenen Jahr aus, 6,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Weltweit wurden im vergangenen Jahr mehr als 5900 Mitarbeiter neu eingestellt. Nicht ganz optimal läuft es bei den "Öko-Modellen" i3 und i8: Davon hat BMW seit der Einführung gerade einmal 50 000 Stück verkauft. Im Blick auf den Gesamtabsatz keine wirklich große Zahl. "Elektromobilität ist ein Marathon und kein Sprint", erklärte Krüger und betonte, dass man mit der i-Marke neue Kunden für BMW gewinne. 2018 komme ein i8-Roadster auf den Markt und 2021 der nächste BMW i mit dem Projektnamen Next.

Anlegervertreter kritisierten die aus ihrer Sicht schwache Entwicklung der i-Modelle. Bei i3 und i8 "könnte es besser laufen", sagte Daniela Bergdolt von der Schutzgemeinschaft DSW. Wie es sein könne, dass das nächste i-Modell erst 2021 auf den Markt komme, wollte sie wissen. Vor allem angesichts der fast aberwitzigen Vorverkaufszahlen des Tesla Model 3 - den es noch gar nicht gebe. Sie habe das Gefühl, man sei am Anfang mit den i-Modellen zu früh dran gewesen, "und jetzt verlässt einen der Mut".

Und es gab einen weiteren Wermutstropfen zu verkünden: "Seit Jahresbeginn ist die BMW-Aktie gegenüber Ende 2015 um über 20 Prozent gesunken", sagte Krüger. Seiner Ansicht nach aber kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. "Wir denken nicht von Quartal zu Quartal." Man sei langfristig erfolgreich, weil die Mitarbeiter hoch motiviert seien.

Bestens läuft es dagegen bei den PS-starken BMW-M-Modellen. Deren Absatz hat sich seit 2010 vervierfacht, weswegen diese Modellreihe weiter ausgebaut werden soll. Das ist für den Autobauer zwar finanziell ein Grund zur Freude. Langfristig könnte das aber angesichts der sich ständig verschärfenden Abgas-Vorschriften zum Problem werden.

Krüger zeigte sich erfreut über die beschlossene E-Auto-Kaufprämie: "Die Maßnahmen der Bundesregierung werden Wirkung zeigen." Aber auch der Diesel-Motor spiele weiter "eine wichtige Rolle". Für das Carsharing-Angebot "Drive Now" seien Ende 2015 in Europa fast 580 000 Kunden registriert gewesen. In den USA habe man kürzlich einen ähnlichen Service unter dem Namen "Reach Now" gestartet.

Vorstand und Aufsichtsrat schlugen eine Dividende von 3,20 Euro je Stammaktie und 3,22 Euro je Vorzugsaktie vor - 30 Cent mehr als im Vorjahr.