Unterhausen
Die mächtigste Burg an der Donau

Vor 3400 Jahren ist der Stätteberg ein wichtiges Siedlungszentrum gewesen - Forscher graben bei Unterhausen

28.08.2021 | Stand 23.09.2023, 20:33 Uhr
Mühsame Handarbeit: Die beiden Studentinnen Arwen Deyhle (l.) und Eva Ott gehören zum Forschungsteam, das auf dem Stätteberg die größte vorgeschichtliche Befestigungsanlage in Süddeutschland untersucht. −Foto: Janda

Unterhausen - Die einst mächtigste Burg Süddeutschlands auf dem Stätteberg bei Unterhausen ist größer als bisher gedacht.

Ein deutsch-polnisches Forschungsteam untersucht derzeit die Überreste der vorgeschichtlichen Anlage aus dem 14. Jahrhundert vor Christus. Noch birgt sie unzählige offene Fragen - und jede Menge Arbeit für die Wissenschaftler.

Wer sich auf dem Gelände mitten im Grün des Staatsforsts nicht auskennt, der sieht beim Besuch der Grabung erst mal nur jede Menge Geröll und matschig-nasses Erdreich. Einst stand auf dem Stätteberg gegenüber dem Rennertshofener Ortsteil Stepperg jedoch eine gewaltige Burg mit rund 5,5 Hektar Grundfläche. Die Ortswahl erscheint noch heute naheliegend. Immerhin ist das Areal im Norden, im Westen und im Osten von Donau, Friedberger Ach und steilen Hängen gut geschützt. "Strategisch liegt die Anlage ideal", weiß Carola Metzner-Nebelsick. Die Professorin für Vor- und Frühgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist nach 2019 bereits zum zweiten Mal mit einem Forschungsteam auf Unterhausener Flur tätig.

Neben ihr und den Studierenden der LMU und der La-Sapienza-Universität in Rom kümmern sich erneut Fachleute der Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität und der Akademie für Wissenschaften in Warschau um die Grabung. Dabei steht diesmal auch ein äußerer Befestigungsring im Fokus, der sich nur einige Meter vom Hauptwall entfernt befindet. Der Kern der Anlage, die Metzner-Nebelsick und ihre Kollegen als Akropolis, also als Burgberg, bezeichnen, stammt aus der Schlussphase der mittleren Bronzezeit im 14. Jahrhundert vor Christus. Damit ist er rund 3400 Jahre alt. Eine wichtige Erkenntnis für die Wissenschaftler, die diesen Zeitraum durch eine Radiokarbondatierung eingegrenzt haben. Ob dieses Alter auch für den äußeren Wall zutrifft, ist jedoch noch offen. Nur eine von vielen Fragen.

Unklar ist beispielsweise nach wie vor auch, wann und warum sich die Zerstörung der Burg abspielte. Einzig das Wie ist zumindest ansatzweise geklärt. Denn auf dem Stätteberg wütete einst ein gewaltiges Feuer, wie die Untersuchungen gezeigt haben. Die Flammen sind mit ein Grund gewesen, warum die Anlage lange Zeit als römisch eingestuft worden ist. Der Stampflehm, der sich wohl auf dem Wehrgang der gewaltigen Pfostenschlitzmauern befand, verwandelte sich in den Flammen in gebrannten Ton. Bruchstücke davon finden die Wissenschaftler immer wieder. Kein Wunder: Immerhin ragten die Mauern einst zirka zweieinhalb Meter in die Höhe. Stellenweise sind die Überreste der Mauern noch heute 1,80 Meter hoch. "Das ist enorm für eine solche Struktur", erklärt Metzner-Nebelsick. Zudem seien Konstruktion, Ausmaß und die heutige Erhaltung in Deutschland "einzigartig für die Bronzezeit".

Zu den vielen Rätseln des Stättebergs gehört auch die Frage, wann die Besiedlung dort endete - und warum sie nie wieder begann. Das Umland könnte eine Erklärung darstellen. Denn so sinnvoll der Standort aus strategischer Sicht auch erscheint, so ungünstig war das regelmäßig von der Donau überflutete Gelände wohl für den Handel. Spätestens nach der Römerzeit, die unweit der alten Burganlage ein Kastell zum Schutz einer nahen Donaubrücke errichtet hatte, dürfte die Siedlungsgeschichte vorbei gewesen sein. Anders als im nahen Neuburg, wo die Menschen ab dem Mittelalter die Spuren früherer Besiedlung überbauten. Das Plateau auf dem Stätteberg sowie das umliegende Areal, das ein weiterer weitläufiger Wall umfasst, hat sich unterdessen die Natur zurückgeholt. "Der Wald ist hier ein Glücksfall für uns", sagt Professor Louis Nebelsick von der Warschauer Universität. Andernfalls wäre von der einzigartigen Anlage wohl nicht mehr viel übrig.

Das Forschungsteam will in den nächsten Tagen die Arbeit am Kern der Burg abschließen und darüber hinaus den zweiten Wall weitgehend freilegen. Metzner-Nebelsick und ihre Kollegen hoffen dabei auf Überreste von Holzkohle oder Tierknochen, um auch diesen Teil der Anlage datieren zu können. Ob sich auf diese Weise mehr über die Erbauer und die Nutzer der Befestigung herausfinden lässt, ist allerdings fraglich - da geben sich die Wissenschaftler keinen Illusionen hin. Proto-Kelten? Ur-Unterhausener? Oder sonst jemand? "Mit gutem Gewissen werden wir nichts über das Selbstverständnis der Menschen sagen können", erklärt die Professorin. Doch wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Weitere Grabungen sollen jedenfalls folgen.

Ausbildung am Grabungsort

Die Grabung auf dem Stätteberg bei Unterhausen ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine besondere Aktion. Denn das Forschungsteam setzt damit nicht nur die Untersuchungen des Marburger Prähistorikers Wolfgang Dehn aus dem Jahr 1951 fort, sondern knüpft auch an die eigene Grabung vor zwei Jahren an. Für viele der Beteiligten ist es zudem die erste Lehre in Präsenz - der Pandemie geschuldet.

Einige der Studierenden, die am Stätteberg graben, befinden sich bereits im dritten Semester. "Doch das universitäre Leben und die Lehre von Angesicht zu Angesicht haben sie noch nicht erlebt", erklärt Grabungsleiterin Carola Metzner-Nebelsick. Dabei kommt es ihren Worten zufolge vor allem in der Archäologie auf die Praxis an. "Es geht um die richtige Technik beim Graben, ums Vermessen, um 3D-Fotografie, aber auch ums Beobachten", so die Professorin, die nach der corona-bedingten Zwangspause im Vorjahr für heuer eigens ein Sicherheits- und Hygiene-Konzept ausarbeiten musste.

Derartige Hürden hatte Wolfgang Dehn vor 70 Jahren nicht zu überwinden. Er legte mit seiner Ausgrabung damals aber den Grundstein für die aktuelle Aktion. Immerhin hatte der Fachmann mit seinem Team damals schon Teile der Befestigungsanlage freigelegt - und damit gezeigt, dass es auf dem Stätteberg noch etwas zum Forschen gibt. Das erkannten auch viele Hobbyhistoriker, die in den folgenden Jahrzehnten immer wieder mal auf dem Gelände gegraben haben. Nun folgt erstmals wieder eine professionelle Grabung durch ein wissenschaftliches Team.

Beim Start vor zwei Jahren hatten Metzner-Nebelsick und ihre Mitstreiter, zu denen diesmal auch ihr Assistent Ken Massy sowie Professor Wolf Teegen gehören, bereits den Hauptteil der großen Anlage freigelegt. Schon damals war klar, dass es sich bei der Anlage auf dem Stätteberg bei Unterhausen um die größte vorgeschichtliche Befestigung in Süddeutschland handelt.

DK

Stefan Janda