''Die Leute müssen Cispa entgegentreten''

02.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:32 Uhr
Spricht Klartext: Eben Moglen, Professor für Recht und Rechtsgeschichte in New York. −Foto: Tom Webel

Berlin (dk) Hunderttausende US-Amerikaner haben sich mit ihrer Unterschrift gegen Cispa ausgesprochen, dennoch wurde das höchst umstrittene Gesetz von den US-Abgeordneten am vergangenen Donnerstag durchgewunken. Cispa erlaubt Internet-Unternehmen, Daten ihrer Nutzer ohne deren Wissen an Regierungsbehörden weiterzuleiten. donaukurier.de-Redakteur Tom Webel sprach auf der Webkonferenz re:publica mit Eben Moglen, Professor für Recht und Geschichte in New York.

Vor ein paar Monaten hatten wir die Debatten über Pipa und Sopa. Nun hat das US-Repräsentantenhaus Cispa verabschiedet, den Cyber Intelligence Sharing and Protection Act. Dieses Gesetz soll Internet-Unternehmen wie Facebook oder Google erlauben, Informationen über ihre Nutzer an den Nachrichtendienst NSA (National Security Agency) weiterzugeben, ohne die Nutzer darüber informieren zu müssen. Wie kam es zu diesem Gesetz?

Eben Moglen: Wir haben in den USA ein Wahljahr. Und Cispa bedeutet, dass die Republikaner im US-Abgeordnetenhaus sagen: Wir gehen einen Schritt weiter als die Verwaltung. Die Verwaltung verlangt, dass man mit den staatlichen Überwachungseinrichtungen kooperiert. Die Republikaner sagen: Wenn du kooperierst, bist du juristisch immun. Die Geheimdienst- und Sicherheitsdienste in den USA haben Straffreiheit. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dafür ins Gefängnis zu gehen oder juristisch belangt zu werden, dass sie Amerikaner ausspionieren. Cispa bedeutet: Wenn die Telekommunikations- und Internetunternehmen in gutem Glauben mit den Diensten kooperieren, werden sie davor beschützt, verklagt zu werden von den Leuten, die sie für die Regierung ausspionieren.

Wie steht die Regierung zu diesem Vorhaben?

Moglen: Die Verwaltung denkt, dass es zu weit geht, kompletten Unternehmen Immunität zu verleihen. Doch die Parteien werden nun darum konkurrieren, den Firmen einen gute Handel vorzuschlagen. Alle sind sich darin einig, dass die Nachrichtendienste zuhören können sollen. Nun geht es um die Frage, wie viel Straffreiheit man den Netzwerkbetreibern dafür einräumt.

Doch es kann keinen Grund geben, den Unternehmen Immunität dafür zu geben, dass sie uns ausspionieren. Es gibt keine angemessene Form der Überwachung durch die Regierung, die so weit geht, wie es die Regierung gerne hätte, und die sich dennoch mit der US-amerikanischen Verfassung verträgt.
 

 


Wie reagieren die Internetnutzer auf diese Entwicklung?

Moglen: Die Leute, die frei in einer hochtechnisierten Gesellschaft leben, müssen dem entgegentreten. Aber das wird immer schwieriger.

Einige Internet-Unternehmen haben gegen Sopa und Pipa protestiert. Cispa wird dagegen unter anderem von Facebook, Microsoft und Google unterstützt. Warum?

Moglen: Diese Unternehmen würden alle gerne sagen, dass sie nicht für das verklagt werden können, was sie bereits machen. Die Data-Miner und die Geheimdienste liegen längst miteinander im selben Bett.

Eben Moglen ist Professor für Recht und Geschichte der Columbia University und ein Verfechter freier Software als Voraussetzung für eine demokratische und freie Gesellschaft. 2005 gründete er das Software Freedom Law Center. Vor einem Jahr stellte er bei der Freie-Software-Konferenz FOSDEM in Brüssel sein Freedom Box Project vor, das zur Dezentralisierung der Internet-Infrastruktur beitragen und jedem Nutzer die Kontrolle seiner Daten ermöglichen soll.