Die letzte Fahrt des Klaus Wutz

12.11.2008 | Stand 03.12.2020, 5:26 Uhr

Klaus Wutz hatte am 2. Juni 1973 schon einmal eine "letzte Fahrt", als die Linie Eichstätt-Kipfenberg eingestellt wurde. - Foto: EK-Archiv

Eichstätt (EK) Ein wenig wehmütig ist ihm schon zumute, jetzt, da er Platz nimmt im Führerhaus des Triebwagens 642. In den Jahren, seit er bei der Regio ist, fährt er neben den anderen Strecken zwischen Nürnberg und München auch immer wieder in seiner Heimatstadt Eichstätt zwischen dem Stadt- und dem Hauptbahnhof.

Heute ist es die letzte Fahrt für Klaus Wutz. Der 65-Jährige befährt an diesem Sonntagnachmittag zum letzten Mal die Strecke von Eichstätt-Stadt nach Ingolstadt-Hauptbahnhof. Dann beginnt für ihn der Ruhestand.

"Ich habe es noch nicht an mich herangelassen, dass es heute das letzte Mal ist", sagt er und blickt dabei auf den Eichstätter Stadtbahnhof. Denn: "Das Zugfahren war mein Traumberuf schlechthin". Von Mallersdorf, wo Wutz 1943 auf die Welt kam, zog die Familie 1953 nach München um, und gleich nach der Schule hat es ihn, damals noch in Fürstenfeldbruck wohnend, zur Bundesbahn gezogen. Der Vater, dessen Brüder und Schwager, alle waren Eisenbahner. Wutz sah sich gewissermaßen in familiärer Pflicht: "In der ganzen Umgebung von München waren die Fahrdienstleiter mit mir verwandt." Aber dann habe ihn sein Vater an einen Bekannten vermittelt, der dringend einen Lehrling in seiner Kunst- und Bauschlosserei suchte. Die Bahn war vergessen.

An seinen Führerstand gelehnt, berichtet Wutz über die Zeit bei der Bundeswehr in Neuburg, wo er 1964 entlassen wurde. Dann fällt ihm ein, dass er das Wichtigste zu erwähnen vergessen hat. "Beim Neuburger Volksfest habe ich meine Frau kennengelernt, und ohne die wäre ich nicht bei der Bahn gelandet." Noch vor der Hochzeit hat Wutz einen Job als Fernfahrer angetreten, in Fürstenfeldbruck in einem Aluminiumschmelzwerk. Sein erster Traumjob sei das gewesen, aber auch anstrengend. Eine Wochenendehe wollte er mit seiner Frau nicht auf Dauer führen, aber die wollte nicht aus Eichstätt weg. "Ich hab verstanden, dass sie mich gebeten hat, mir hier in der Umgebung was zu suchen."

Gar nicht so einfach sei das gewesen, als freiheitsliebender Mensch, wie er sich selbst bezeichnet. "In die Audi wollte ich nicht, und eine Schlosserei, wo ich ähnliches machen konnte, wie ich gelernt habe, gab es in Eichstätt nicht." Er habe es bei der Bahn versucht. Die Bewerbung war erfolgreich und Klaus Wutz konnte 1972 als Fahrer einer KÖF III, einer Kleinlokomotive, und als Rangierleiter in Eichstätt anfangen.

Damals gab es noch die Bahnstrecke zwischen Eichstätt und Kipfenberg. Die Fahrten durchs Altmühltal seien schön gewesen, erinnert er sich. Und das ist bis heute so: "Durch unser Altmühltal hinauf bis nach Würzburg, das ist eine ganz schöne Landschaft." Am 2. Juni 1973 allerdings war es vorbei mit dem Bimmelzug die Altmühl talabwärts. Wutz selbst hat den letzten Güterverkehrszug auf der Strecke von Eichstätt nach Kipfenberg gefahren. Als Eichstätt dann 1976 den Güterbahnhof verlor, trat Klaus Wutz trat seinen zweiten Traumjob an: "Die Bahnbusgesellschaft hat Busfahrer gesucht und ich bin dann 15 Jahre lang dort gefahren."

Und dennoch: An seinem Traumziel Lokführer hat er festgehalten. Nach zwei gescheiterten Anläufen ging für den damals 47-Jährigen der Traum 1990 endlich in Erfüllung. Was für den inzwischen zweifachen Familienvater nicht einfach war. "In der Ausbildung bei der damaligen Bundesbahnschule in München-Aubing hatte ich lauter junge Burschen neben mir sitzen, die frisch aus der Schule kamen." Klaus Wutz gesteht auch anfängliche Schwierigkeiten mit dem Lernstoff ein: "Ich habe nicht verstanden, was der da vorne mir von Elektronik und dergleichen erzählt hat."

Erfolgreicher Abschluss

Letztlich legte er die Prüfungen dann doch erfolgreich ab. Zunächst noch bei der DB-Cargo beschäftigt, ging es mit Güterfahrten kreuz und quer durch Bayern. "Ich habe aber immer schon lieber Personenzüge fahren wollen." Da kam die Trennung von Güter- und Personenverkehr 1998 ganz recht. Wutz wechselte zur Regio. "Lokführer, das ist einfach was Tolles", schwärmt er und startet den Motor seines Zuges.

Seiner hohen Verantwortung beim Fahren war er sich immer bewusst, sagt er mit Blick auf die vielen Schaltknöpfe im Führerstand und programmiert dabei sein Tableau für die anstehende Fahrt. "Man muss immer hochkonzentriert fahren." Gerade im Bereich München gelte es, akribisch aufzupassen. "Die vielen Signale sind tückisch." In all seinen Dienstjahren ist ihm aber niemand vor den Zug gesprungen. "Da bin ich heilfroh drum."

Für rund 18 Loks hat Klaus Wutz den Führerschein. Und seine Begeisterung für das Fahren lässt ihn auch an seinem letzten Arbeitstag, nicht los. "Wenn ich dürfte, würde ich noch 20 Jahre lang fahren." Doch mit 65 ist für ihn Schluss. Ein Alter, in dem viele seiner Kollegen längst den Vorruhestand genießen oder wegen der Strapazen des Berufs aufgegeben haben. Er hat aber die Begeisterung für den Eisenbahnerberuf sogar weitergegeben. "Mein Sohn ist auch Lokführer bei der Cargo geworden", sagt er mit Stolz.

Ein letztes Mal gibt Klaus Wutz den Schließbefehl für die Schranke an der Bundesstraße 13 und startet den Triebwagen 642. Die letzte Fahrt des Klaus Wutz.