Eichstätt
Die letzte Fahrt

Vor genau 45 Jahren war die Eisenbahn nach Kipfenberg zum letzten Mal unterwegs - Nun ist ein Film aufgetaucht

01.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:19 Uhr
Rangierleiter Michael Schiegl winkt am Bahnübergang Böhming aus der geschmückten Lok der letzten Fahrt nach Kipfenberg (oben). Währenddessen gab es auf einem Zwischenstopp auch einen Schnaps (unten links). −Foto: Fotos: Sammlung Hager

Eichstätt/Kipfenberg (hid) Am 2. Juni 1973 ging nach 75 Jahren die Ära der Eisenbahn im Altmühltal zu Ende: Zum letzten Mal fuhr ein planmäßiger Zug von Eichstätt nach Kipfenberg und zurück.

Die Eröffnung der Schmalspurbahn Eichstätt-Kinding war 1898 groß gefeiert worden, die spätere Durchführung bis Beilngries beziehungsweise Umstellung auf Normalspur fand sogar in Liedern und Gedichten Niederschlag. Doch in der Nachkriegszeit galt die Nebenbahn schon nach wenigen Jahren als unrentabel und altmodisch und wurde letztlich im Jahre 1973 vollständig stillgelegt.
120 JAHRE EISENBAHN

Vor 120 Jahren beginnt die Geschichte der Eisenbahn ins untere Altmühltal: Die Strecke Eichstätt-Stadt nach Kinding wurde am 7. November 1898 als Schmalspurbahn mit 1000 mm Spurbreite in Betrieb genommen. Ab 1929 wurde sie nach Beilngries durchgeführt und bis 1934 Stück für Stück auf Normalspur umgebaut. Obwohl die Nebenbahn in den ersten Nachkriegsjahren Hochkonjunktur hatte, war der Personenverkehr ab 1950 stark rückläufig. So wurde 1955 zunächst der Personenverkehr zwischen Kipfenberg und Beilngries sowie der Gesamtverkehr zwischen Kinding und Beilngries eingestellt, am 28. Mai 1960 dann der Personenverkehr Eichstätt-Kipfenberg. Es verblieb die Reststrecke von Eichstätt bis Kinding, die ab Juni 1960 nurmehr im Güterverkehr bedient wurde. Weil auch der Güterverkehr auf der Schiene zurückging, wurde zunächst im Oktober 1970 der Abschnitt Kipfenberg - Kinding stillgelegt und abgebaut, drei Jahre später die Strecke Eichstätt - Kipfenberg.
LETZTE FAHRT 1973

Am 2. Juni 1973 fand nun die letzte planmäßige Fahrt von Eichstätt-Stadt nach Kipfenberg statt. Bahnhofsvorstand Hans Stachel hatte hierzu eine Reihe von illustren Gästen eingeladen, darunter Altlandrat Hans Pappenberger, Landrat Konrad Regler, Kreisheimatpfleger Anton Gäck aus Böhming und etliche Bahnbedienstete. In einem geschmückten "Salonwagen", ausgestattet mit reichlich Bier und Weißwürsten, fuhren die Ehrengäste, dahinter wurden Güterwagen angehängt.

Um 9 Uhr setzte sich dieser Zug in Eichstätt-Stadt in Bewegung, Altlandrat Pappenberger hatte hierzu das Abfahrtssignal gegeben. In Walting stieg Bürgermeister Schroll zu, außerdem wurden vier Güterwaggons angekuppelt. Nachdem der letzte Zug auf der Strecke ins Tal eine repräsentative Länge haben sollte, waren schon am Vortag einige leere Waggons ins Tal gebracht worden, die dann wieder nach Eichstätt mit zurückgenommen werden sollten.

Gezogen wurde dieser Zug von der Eichstätter Köf (Abkürzung für Kleinlokomotive mit Ölfeuerung und Flüssigkeitsgetriebe) mit der Betriebsnummer 332 197-3. Die Kleinlok war vom Bahnpersonal reich geschmückt worden, Bahnarbeiter Pröls, ein gelernter Maler, hatte ein eigenes Schild mit der Aufschrift "Letzte Fahrt Eichstätt-Kipfenberg 1898-1973" angefertigt, das vorne an der Lok befestigt wurde.

Der Zustand der Strecke war 1973 bereits so schlecht, dass eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h galt, stellenweise sogar nur 10 km/h. Daher dauerte die Fahrt nach Kipfenberg mit einigen Zwischenhalten mehr als eine Stunde. Im Bahnhof Kipfenberg selbst fielen dann umfangreiche Rangierarbeiten an, so dass erst um 11.45 Landrat Regler die Weiche zur allerletzten Fahrt zurück nach Eichstätt stellen konnte.
DER FILM

Der EICHSTÄTTER KURIER berichtete damals groß über die letzte Fahrt, natürlich wurden auch zahllose Fotos gemacht. Dass diese letzte Fahrt aber nicht nur in Bildern, sondern auch in einem etwa 15-minütigen Film von Franz Bernecker für die Nachwelt festgehalten wurde, war bislang nicht bekannt.

Kurz vor Ostern wurde Heimatforscher Rudi Hager aus Eichstätt dieser Film der letzten Fahrt angeboten, damals auf Super-8 als Stummfilm gedreht. Hager wusste von Kreisheimatpfleger Dominik Harrer, dass anlässlich des Jubiläums "120 Jahre Eisenbahn im Altmühltal 1898-2018" eine Ausstellung im Jura-Bauernhof-Museum Hofstetten geplant war und wollte diesen Film für die Ausstellung auch zur Verfügung stellen. Er ließ den alten Super-8-Film deshalb von Günter Heidemeier, einem Spezialist auf dem Gebiet des Filmes, digitalisieren und bearbeiten, so dass er auch heutigen Qualitätsansprüchen entspricht.
DAS PERSONAL

Zunächst war geplant, den Film als Stummfilm in der Ausstellung zu zeigen. Wenige Tage vor Ausstellungseröffnung jedoch konnten die Hauptpersonen der letzten Fahrt ausfindig gemacht werden: Kleinlokführer Klaus Wutz aus Eichstätt und Rangierleiter Michael Schiegl aus Pietenfeld. Beide sind im Film und auf Fotos mehrfach zu sehen. Sie waren über das Auftauchen des Filmes hoch erfreut und konnten viele wertvolle Informationen und auch die eine oder andere Anekdote beitragen.

Beispielsweise erzählte Michael Schiegl, dass das Schild mit der Aufschrift "Letzte Fahrt" bei der Rückfahrt vor dem Kühler der Lok so ungünstig positioniert worden war, dass die Lok beinahe zu kochen begonnen hätte. Laut Klaus Wutz wurde auf Höhe Pfalzpaint der Zug von Maria Wachslander, Ehefrau des Rangierleiter-Kollegen Toni Wachslander, aufgehalten und die ganze Belegschaft bekam auf offener Strecke einen Schnaps. Aufgrund dieser zusätzlichen Informationen wurde der Film kurzerhand noch mit Text und Musik unterlegt. Günter Heidemeier nahm die Texte auf und synchronisierte sie mit dem Film.

Der Film ist nun als Höhepunkt in der Ausstellung "120 Jahre Eisenbahn im Altmühltal" im Jura-Bauernhof-Museum Hofstetten in Dauerschleife noch bis Kirchweih im Oktober zu sehen.