Riedenburg
Die Lebenswelle durchfließt den Stein

Der Riedenburger Steinbildhauer Günter Schinn wird auf der BUGA in Erfurt mit Silber ausgezeichnet

22.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:19 Uhr
Entwurf und Ergebnis: Die in Stein gehauenen Worte widmen sich entsprechend der Gesamtkonzeption von Günter Schinns Grabmal dem Thema Wasser. Für sein Werk hat der Riedenburger Steinbildhauer bei der Bundesgartenschau in Erfurt eine Silbermedaille erhalten. −Foto: Schmied/BUGA

Riedenburg - Dass er aus Stein Wasser machen kann, hat er schon einmal gezeigt. War es damals bei seinem Lebensstein ein einzelner Tropfen, welcher die Oberfläche in Schwingung versetzte, ist es nun eine ganze Welle, die den Block durchzieht, gar durchbricht. "Das Prinzip aller Dinge ist Wasser, aus Wasser ist alles und ins Wasser kehrt alles zurück" prangt dort in Stein gehauen oben auf dem Montiggler Porphyr.

Das "S" kräuselt sich über seine Grenzen hinaus, lugt in die Zeile darüber und darunter, steht gleichsam für das Fließen wie das Ineinanderübergehen aller Dinge, auch für Jenseitigkeit. Der Riedenburger Steinbildhauer Günter Schinn ist für dieses Lebensfluss-Grabmal bei der Bundesgartenschau in Erfurt mit einer Silbermedaille ausgezeichnet worden.

Eine weitere seiner Arbeiten hat also die Gunst der Jury erobert. Dass das Grabmal überhaupt in Erfurt stehen darf, sei schon eine Ehre, sagt der Riedenburger. Und die Medaille ist das i-Tüpfelchen obendrauf. "Man freut sich extrem, wenn die Arbeit von der Idee über die Entwurfs- und Schaffensphase und dann bis hin zur Auseinandersetzung mit anderen Gewerken gewürdigt wird." Die Welle nämlich - sie ist aus Stahl. Steinbildhauer und Schlosser haben hier die Köpfe zusammen gesteckt. "Die Zusammenarbeit mit den regionalen Handwerksfirmen ist ein toller Prozess", versichert Schinn. So eine Auseinandersetzung ist bei der Konzeption des Ausstellungsteils "Grabgestaltung und Denkmal" auf dem Bundesgartenschau-Gelände auch der Kontakt mit den Friedhofsgärtnern, die mit ihrer Wahl der Gewächse den Charakter des Grabmals unterstreichen wollen. In diesem Fall schlängelt sich ein blauer Blumenstrom am Fuße der Stele vorbei am Quader, der den Namen des Gestorbenen tragen soll. Das Grabmal, die Welle selbst, soll durch nichts gestört werden, so der Hintergedanke für die Trennung beider Elemente.

Der Entwurf zu seinem Wellenstein entstand beim Gestaltungsseminar in Ingolstadt, das Schinn regelmäßig besucht. Dass dieser für einen Wettbewerb geeignet wäre, sei ihm schnell klar gewesen. Weil im immer schon Bekannten tauchen nicht das Seine ist, hat er für diesen Stein auch ein neues Material ausprobiert: Montiggler Porphyr aus Südtirol. Den Stein hat er bei einer Fahrt dorthin im Bruch kennengelernt. "Und mir gedacht: Das ist das optimale Material für eine Kombination mit Rost und Stahl - weil sich die Farbgebung im Naturstein wiederfindet." Das Zusammenführen von Stein und Stahl sei dann eine - willkommene - technische Herausforderung gewesen. "Wir mussten es schaffen, die Wasserwelle wie ein Band durch den Stein zu schieben", schildert der Steinbildhauer.

Auch die Schriftgestaltung war für ihn ein wichtiger Aspekt. Von oben nach unten werden die Buchstaben immer höher, wächst die Welle. Dass das "S" aus der Reihe tanzt, stehe für den Fluss, für Zusammenhang. Die Stele als Form bevorzugt Schinn bei seinen Grabmalen auch deshalb, weil sie an einen stehenden Menschen erinnert. Irgendwie kann man dem Gestorbenen also doch gegenüberstehen. Ohnehin erachtet Schinn einen Ort, an dem man Trauern kann, trotz der sich wandelnden Friedhofskultur als wichtig.

Zwei Entwürfe habe er also nach Erfurt losgeschickt, einer wurde genommen. Die Kriterien für die Auswahl fasst die Jury durchaus eng. So muss das Material etwa aus dem europäischen Raum kommen. Weitere Punkte sind die gute Gestaltung und die Symbolik, die im eingereichten Konzept beschrieben wird. Kurz vor der Eröffnung der Bundesgartenschau ging es für die Jury dann auf einen Streifzug durch die aufgestellten Grabmale. Der Tag der Wahrheit, wie Schinn ihn mit einem Augenzwinkern beschreibt. 52 Mustergrabstellen gibt es, verliehen wurde dreimal Gold, neunmal Silber und 15-mal Bronze.

"Wir hoffen jetzt, dass viele Leute die Bundesgartenschau - gerade mit Blick auch auf Corona - besuchen und mit eigenen Augen sehen können, dass ein Grabstein nicht von der Stange sein muss, sondern es bundesweit richtig gute Steinmetze und -bildhauer gibt, die das Thema sensibel angehen und für den Gestorbenen auf der irdischen Welt ein Zeichen gestalten können, das bleibt." Und natürlich hofft Schinn, dass auch jemand Gefallen an seinem Wasserstein findet. Er muss auch nicht nach Riedenburg zurückkehren, betont der Steinbildhauer, sondern darf irgendwo in Deutschland seinen Platz finden.

DK

Kathrin Schmied