Die Kunst ist die Vielfalt

07.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:24 Uhr

Kassel (DK) Das Rätselraten hat ein Ende. Seit Mittwoch ist die weltweit bedeutendste und älteste Schau zeitgenössischer Kunst für das Fachpublikum geöffnet, und Carolyn Christov-Bakargiev, die Kuratorin der documenta13, hat ihr Konzept und die gut gehütete Künstlerliste bekannt gegeben.

Fast 300 Teilnehmer sind es, soviele wie nie zuvor. Gezeigt werden in diesem Jahr in Kas-sel unter dem Motto „Zusammenbruch und Wiederaufbau“ nicht nur Werke von Künstlern, beteiligt sind an dem immen-sen Kunstparcours auch Naturwissenschaftler, Schriftsteller, Biologen, Gärtner. Und mehr Natur war wohl nie auf einer documenta.

Da summen Bienen, wachsen antikapitalistische Teegärten, gibt es einen Schmetterlingsgarten oder sind winzige Naturstudien in gefallenen Beuys-Eichen und Holzbücher zu sehen. Präsentiert werden unbekanntere Künstler aus aller Welt,aber auch Vertreter klassischer künstlerischer Sparten, darunter William Kentridge, Rosemarie Trockel, Jerome Bel und Alexander Kluge sind eingeladen worden. Es geht Carolyn Christov-Bakargiev um eine „Allianz der Wissenschaften“, wie sie auf der Eröffnungspressekonferenz sagte, aber auch um einen bewusst weit gefassten Blick auf die Befindlichkeiten und Bedingungen der Gesellschaft.

Betrachtet und thematisiert werden Wendepunkte, Katastrophen und Krisen–„Momente, an denen sich die Welt verändert“. Ein Schwerpunkt liegt auf Kunst aus und über Afghanistan, was jedoch stellvertretend für die Krisenherde der Welt gesehen werden darf. Zudem stellt die selbstbewusste wie durch setzungsstarke documenta-Chefin Fragen nach den verschiedenen Spezien der Welt, nach Hoffnung und Optimismus, Macht-verhältnissen, der Rolle der Frauen und der Form von Geschichten erzählen. Die Schau werde sich skeptisch gegenüber wirtschaftlichem Wachstum positionieren. „Ich denke viel über die Frage nach, wie wir engagiert sein können“ und was Engagement bedeute, sagte Christov-Bakargiev.

Verbindliche Lösungen will sie nicht bieten. Im Gegenteil: Sie zitiert den griechischen Philosophen Sextus, der im 2. Jahrhundert nach Christus gelebt hat: „Skepsis ist die Kunst, zu suchen.“ Auf die groß angelegte Spurensuche mit ihrer Fülle an überraschenden wie vielfältigen Positionen werden sich die Besucher aus aller Welt ab Samstag begeben, wenn Bundespräsident Joachim Gauck die Schau eröffnet hat.

Die documenta 13 bietet so viele Schauplätze wie nie zuvor. Neben Museumsräumen und einem Park wird Kunst an vielen neuen, alltäglichen Orten wie einem Kino oder im Bahnhof zu sehen sein. Eine Kunstschnitzeljagd zum Staunen, Schauen und Nachdenken. Zudem wird es erstmals auch drei Außenstandorte geben: die afghanische Hauptstadt Kabul, Kairo in Ägypten und der kanadische Nationalpark Banff (Alberta).