London
Die Königin liest vor

27.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Mit Umhang und diamantenbesetzter Krone: Königin Elizabeth II. während der Thronrede im Westminster-Palast. Neben ihr sitzt Ehemann Prinz Philip. - Foto: Stansall/AFP

London (DK) Mit ihrem wichtigsten Requisit, ihrer Krone, lässt sich die britische Königin selten sehen. Aber an einem ganz besonderen Tag im Jahr muss es sein. Dann setzt sich Queen Elizabeth II. die mit 2868 Diamanten besetzte „Imperial State Crown“ aufs Haupt und erfüllt eine ihrer vornehmsten Aufgaben: Gestern eröffnete sie eine neue Session des Parlaments. Es ist ein farbenprächtiges Spektakel von mittelalterlichem Pomp und altertümlichen Zeremonien, in dessen Zentrum die Verlesung der „Queen’s Speech“, der Thronrede, steht.

Fast jeden Satz beginnt die Königin in ihrer näselnd hohen Stimme mit „Meine Regierung wird. . .“, aber der Eindruck täuscht. Natürlich hat nicht sie diese Rede geschrieben, sondern ihr Premierminister David Cameron, und die Königin hat sie genau so vorzulesen, wie sie ihr vorgelegt wurde. Denn immerhin handelt es sich bei der Thronrede um den legislativen Fahrplan der Regierung in diesem Jahr.

Zum ersten Mal seit 19 Jahren kann jetzt eine Regierung Ihrer Majestät ein rein konservatives Programm präsentieren, nachdem David Cameron in den Wahlen eine absolute Mehrheit im Unterhaus errang und sich damit seines Koalitionspartners, den Liberaldemokraten, entledigen konnte. Der Premierminister hatte vorab erklärt, eine „One-Nation-Regierung“ führen zu wollen. Der Begriff „eine Nation“ bezeichnet eine Spielart des britischen Konservatismus, der eher gemäßigt konservativ und stärker sozialpolitisch ausgerichtet ist. Cameron wies in dieser Hinsicht auf die Steuersenkungen für Geringverdiener hin, die er demnächst auf den Weg bringen will. Es ist ein geschickter Schachzug: Während Labour Nabelschau betreibt und einen neuen Anführer sucht, will Cameron das Machtvakuum ausnutzen und die politische Mitte für seine Partei reklamieren.

Andere Gesetzesvorhaben in der Thronrede allerdings bezeugen einen eher stramm konservativen, wenn nicht neothatcheristischen Kurs. Die Gewerkschaften sollen gezähmt werden durch ein Gesetz, das Streiks nur noch dann erlaubt, wenn mindestens 40 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder für einen Ausstand stimmen – unabhängig von der Wahlbeteiligung. Die Schwelle, ab der Erbschaftssteuer fällig wird, soll auf eine Million Pfund angehoben werden. Gleichzeitig wird die Sozialhilfe weiter beschnitten werden, bei der zwölf Milliarden Pfund, umgerechnet fast 17 Milliarden Euro, eingespart werden soll. Schließlich kündigte die Regierung an, das Gesetz über die Charta der Europäischen Menschenrechte abzuschaffen und durch ein „Britisches Gesetz der Grundrechte“ ersetzen zu wollen. Da bei diesem Thema aber heftiger Widerstand, auch aus den eigenen Hinterbänklerreihen, erwartet wird, sollen zuerst Konsultationen geführt werden.

Deutliche Priorität dagegen bekommt ein Gesetz über die Einführung eines Referendums über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Die Regierung will es im Schnelldurchlauf durch beide Kammern des Parlaments bringen, um die Möglichkeit zu haben, eine Volksabstimmung nicht erst Ende 2017, sondern womöglich schon im Herbst 2016 abhalten zu können. Die BBC konnte herausfinden, dass die Referendumsfrage affirmativ formuliert werden soll: ob man weiterhin in der EU bleiben will. Das würde den Europafreunden nützen, weil es sie zum Ja-Lager und ihre Gegenseite zu den Neinsagern macht.