Oberdolling
Die Kartoffelhochzeit

Zuversicht bei Beschäftigten und bei Bauern nach Teilverkauf des Dolli-Werks in Oberdolling an niederländisches Unternehmen

29.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:08 Uhr

 

Oberdolling (DK) Der Geruch geschälter Kartoffeln liegt in der Luft, die Maschinen rattern unaufhörlich. Frauen stehen an einem Förderband und sortieren routiniert die gelb leuchtenden und frisch gewaschenen Erdäpfel, damit am Ende wirklich nur die besten in der Tüte landen.

Die Belegschaft im Dolli-Werk Amberger in Oberdolling (Kreis Eichstätt) produziert in zwei Schichten, und es geht nicht nur um die Knolle. Vom Knödel über die Nudel und Feinkostsalate bis hin zu Fleischprodukten reicht unter anderem die Palette des Lebensmittelbetriebs. Die Stimmung in der Belegschaft scheint überaus gut, obwohl doch die Firmenchefs Martin und Wolfram Amberger erst vor zwei Wochen bekannt gegeben hatten, dass sie 60 Prozent ihrer Anteile an den niederländischen Kartoffelverarbeiter Aviko B.V. verkaufen wollen. Denn um den Arbeitsplatz muss deshalb niemand fürchten, im Gegenteil: „Mit dieser Kooperation haben wir uns neue Märkte erschlossen, weil Aviko sich weltweit orientiert“, sagt Martin Amberger. Er sieht die Weichen in eine positive Zukunft gestellt.

Die beiden Brüder haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Ihr Vater Martin Amberger senior, heute 75 Jahre alt, hatte das Unternehmen am 2. Dezember 1957 an der Bahnhofstraße gegründet. Aus bescheidenen Anfängen ist ein Vorzeigeunternehmen geworden. Der Verkauf geschälter roher Kartoffeln bildete die Grundlage des Erfolgs, das kleine Unternehmen expandierte rasch. Heute beschäftigen die Ambergers rund 220 Mitarbeiter, davon allein 130 in Oberdolling, und kamen 2013 auf knapp 35 Millionen Euro Umsatz. „Trotz der positiven Entwicklung muss man alle fünf Jahre prüfen, wo man steht und wohin der Markt geht“, erklärt Martin Amberger die Strategie. „Es gibt große Veränderungen in der Branche“, sagt er. „Vor 25 Jahren gab es in Deutschland 60 Hersteller von frischen Pommes frites, heute sind es noch zwei.“

Einer davon heißt Amberger. „Gleichzeitig werden die Investitionen ständig mehr und gesetzliche Auflagen immer strenger“, sagt Wolfram Amberger. Und auch die Kundenanforderungen ändern sich permanent. Würde der Betrieb sich auf lange Sicht im Markt allein behaupten können? Eher nicht, weshalb die Brüder vor zwei Jahren erstmals darüber nachdachten, zur Standortsicherung eine Kooperation einzugehen. Mit guten Voraussetzungen, denn „auf dem Markt wir sind die schönste Braut“, sagt Martin Amberger selbstbewusst. „Man kriegt immer wieder Angebote, aber die Großen fragen einen meistens nur einmal.“ Diese Chance wollten er und sein Bruder Wolfram nicht vertun, als Aviko anklopfte. „Denn das ist ein Konzern, den wir hervorragend ergänzen“, sagen sie. Das Deutschlandgeschäft der Holländer laufe über die Niederlassung in Rain im Kreis Donau-Ries, keine 70 Kilometer von Oberdolling entfernt. „Wir bieten viele frische Produkte an, die Aviko mit seiner Tiefkühlkost nicht hat, sodass es keine Überschneidungen gibt“, erläutert Wolfram Amberger. „Das bedeutet die Sicherung unseres Standorts, wir sind nicht beliebig austauschbar. Für unsere Ware kann ich nicht holländische Kartoffeln nehmen – da brauche ich bayrische!“

Die Amberger-Eigenmarken „Dolli“, „Feldmühle“ und „Helmer“ bleiben also erhalten. Und nicht nur das: Der Vertrieb erfolgt nun auch über die weltweiten Aviko-Kanäle, wie umgekehrt die Ware der Niederländer über das Haus Amberger angeboten wird. Die notariellen Verträge sind von beiden Seiten unterschrieben, es fehlt noch das Plazet des Bundeskartellamts. „Ernsthafte Einwände erwarten wie aber keine“, sagen die Brüder.

„Als Spieler auf dem Weltmarkt wollen wir regional auch ein wenig mitspielen“, erklärt Aviko-Generaldirektor Martin van de Ven, die Beweggründe auf holländischer Seite. Die Produkte beider Partner seien „von ausgezeichneter Qualität, und miteinander können wir uns noch steigern“. Synergieeffekte sollen das ermöglichen, sowohl auf technischer Seite als auch beim Personal. „Jeder kann vom anderen lernen und profitieren, beim Einkauf, Verkauf und in der Produktion.“ Die Modalitäten seien über ein Jahr lang ausgehandelt worden. „Wenn man eine solche Heirat plant, müssen am Ende beide glücklich sein“, findet van de Ven.

Die Amberger-Brüder hatten diese Verhandlungen im Stillen betrieben. Die Belegschaft erfuhr vor zwei Wochen von der geplanten 60-prozentigen Übernahme durch Aviko. „Ich bin erst schon erschrocken, weil ich dachte, es könnten Arbeitsplätze verloren gehen“, erinnert sich Sandra Auer, Leiterin der Kundenbetreuung. Inzwischen fühlt sie ganz anders: „Mit dieser Partnerschaft können wir uns noch verbessern“, ist die 32-Jährige überzeugt. Die Kundschaft, so sagen die Geschäftsführer, nehme die Kooperation durchweg positiv auf. Zu den Abnehmern des Dolli-Werks zählen unter anderem die Großkantinen von Audi, BMW und Porsche, Autobahnraststätten oder Freizeitparks.

Intern herrscht ebenfalls großer Optimismus, jetzt, wo der anfängliche Schreck verdaut ist. „Ich denke, dass sich mit dieser Konstellation viele neue Möglichkeiten ergeben“, sagt Franziska Rasche. Die 23-jährige Lebensmitteltechnikerin arbeitet bei den Ambergers in der Qualitätssicherung. „Durch den Zusammenschluss ist mein Arbeitsplatz gesichert“, freut sich Dieter Reindl (48). Er leitet das Lager im Dolli-Werk. „Die Arbeit geht weiter und das ist gut so“, findet Staplerfahrer Josef Forster (63), auf die Entwicklung angesprochen. 35 Jahre seines Berufslebens hat er in dem Oberdollinger Werk verbracht, er ist einer der dienstältesten Mitarbeiter. „Die Änderung ist von der Belegschaft allgemein gut angenommen worden“, zieht Carsten Weber (46) Bilanz. „Es wird ja niemand ausgestellt.“ Weber gehört seit 25 Jahren zur Dolli-Werk-Mannschaft, mittlerweile als Produktionsleiter. Die positive Resonanz in der Firma ist nicht zuletzt Folge der Unternehmenskultur. „Unsere Türen stehen immer offen, wer Fragen hat, kann jederzeit zu uns kommen“, sagt Martin Amberger.

Beruhigt geben sich auch die Kartoffelbauern in der Region, nachdem Wolfram Amberger sie am Dienstag in Wackerstein (Kreis Eichstätt) informiert hat. Sie können ihre Ernte weiter direkt nach Oberdolling liefern. „Am Anfang waren schon unterschwellige Ängste da, dass der Große den Kleinen schluckt und wir dann auf der Strecke bleiben“, beschreibt Landwirt Werner Froschmeier aus Ingolstadt-Winden seine Gefühle nach Bekanntwerden der Teilübernahme. „Aber jetzt sind wir doch recht zuversichtlich, dass alles gut wird.“