Ingolstadt
Die Kanzlerin bleibt eisern

Zeugin belastet Hochschulprofessor vor dem Landgericht

24.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:54 Uhr

Ingolstadt (DK) Barbara Rehr erlebte gestern einen fordernden Nachmittag. Ihre Vernehmung vor der 4. Strafkammer am Landgericht dauerte fast drei Stunden. Rehr sagte in der Berufungsverhandlung gegen einen suspendierten Professor für Maschinenbau, der wegen Vorteilsannahme verurteilt worden ist, als Zeugin aus. Sie tat sich aber auch (freilich nicht offiziell) als eloquente Sachverständige hervor, denn die Kanzlerin der Ingolstädter Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist idealerweise Juristin.

Rehr komme im Prozess eine Schlüsselrolle zu, betonten die Verteidiger Rainer Nitschke und Erik Günther, bevor die beiden nach zwei Stunden mit Fragen des Vorsitzenden Richters Konrad Kliegl und des Oberstaatsanwalts Christian Veh noch eine dritte dranhängten. Doch die Kanzlerin antwortete stets konzentriert und gelassen, auch als es tief ins Theoretische ging.

Die zentrale Frage lautet: Hat der 48-jährige Hochschullehrer Dienstpflicht und private Nebentätigkeit vermengt? Ja, sagte Barbara Rehr entschieden. „In diesem Fall ist eine Grenze überschritten worden.“

Das Gericht muss eine Grauzone erkunden. Als Inhaber eines privaten Ingenieurbüros hat der Beschuldigte mit dem kalifornischen Whirlpool-Hersteller Watkins einen Kooperationsvertrag abgeschlossen. Darin geht es um Forschungen zur Energieoptimierung. Der Professor bekam zwei Pools (plus eine Wanne) gratis, nahm sie im eigenen Garten in Betrieb und schenkte sie später seiner Frau, die sie für 9000 Euro verkaufte.

Doch der Professor hatte damals, im Sommer 2008, an der Hochschule auch ein Projektseminar zum Thema „Energieoptimierung bei Whirlpools“ angeboten. Die Studenten erfüllten Aufgaben rund um die blubbernden Testobjekte im Garten ihres Dozenten, verfassten Arbeiten und bekamen Noten darauf. Mit zwei Studenten flog der Professor später auf Watkins’ Kosten nach Kalifornien, um die Resultate zu präsentieren.

Diente dieser Einsatz der Studenten nun der Forschung oder der Lehre? Haben sie, wie Richter Kliegl es formulierte, „die Whirlpools nur besichtigt oder daran herumgebastelt und experimentiert“ Vier Studenten von damals, inzwischen alle Ingenieure, sagten gestern weitgehend übereinstimmend aus, dass sie die Whirlpool-Aktivität im Rahmen ihres Studiums gesehen hätten. Das Interesse der Watkins-Leute an ihren Erkenntnissen habe sich in Grenzen gehalten. Auf die Frage von Verteidiger Nitschke „Hat ihre Arbeit denn nun zu einer Energieoptimierung geführt“ antwortete ein Zeuge: „Eher nicht.“

Die Hochschule unterscheide zwischen dem Nebenamt eines Dozenten (hierbei schließt die Hochschule den Vertrag und regle alles) sowie einer privaten Nebentätigkeit, die der Genehmigung bedürfe, erklärte die Kanzlerin. Bei den Regeln sei sie eisern: Dozenten dürfen privat nie im Namen der Hochschule auftreten. Für Studienprojekte gelte: „Es darf kein Geld fließen, und alle Rechte bleiben bei den Studenten.“ Hätte der Professor Privates und Dienstliches strikt getrennt, „würde es uns selbst dann nicht interessieren, wenn er 100 Whirlpools bekommen hätte“, sagte Rehr. Doch er habe die Bereiche vermischt.

Am Mittwoch geht es weiter.