Kleinhohenried
Die Japaner als Schüler Pettenkofers

04.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr
  −Foto: Schneider, Marco, Eichstätt

Kleinhohenried (ahl) Aus ungewöhnlicher Sicht beleuchtet Beate Wonde den deutschen Hygieniker Max von Pettenkofer, der vor 200 Jahren in Lichtenheim im Donaumoos geboren wurde.

Der Gedenktag wurde ausgiebig begangen - mit einer Kranzniederlegung am Geburtshaus, der Umbenennung des Berufsschulzentrums (wir berichteten) und abschließend einem Vortrag der Japanologin im Haus im Moos.

Was Pettenkofer mit Japan zu tun hat? Jede Menge, das wird im Gespräch mit Wonde schnell klar. "Japan hatte sich 200 Jahre lang von der Außenwelt abgeschlossen, strebte dann im Zuge der Meiji-Restauration Zusammenarbeit an und sandte viele junge Leute zum Studium ins Ausland", erklärt die Kuratorin der Mori-Ogai-Gedenkstätte der Berliner Humboldt Universität. Mori Ogai war einer von geschätzten 2700 Studenten, die bis zum Ersten Weltkrieg in Deutschland lebten, allein an der Humboldt-Universität waren 774 immatrikuliert, nicht nur angehende Mediziner, sondern auch spätere Politiker. Zwar bestehe noch Forschungsbedarf, doch sei Tagebuchauszügen zu entnehmen, dass ein besonderes, ein gütiges, warmherziges Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Pettenkofer und dem damals 22-jährigen Ogai bestand. Was Wonde darauf zurückführt, dass beide nicht nur den medizinischen Beruf, sondern auch kulturelle Interessen teilten. "Ogai hat sich immer als Schüler Pettenkofers geoutet", sagt die Japanologin. Ihm sei es zu verdanken, dass es sowohl Robert Koch, bei dem Ogai anschließend in Berlin studierte, als auch Pettenkofer in japanische Deutschlehrbücher und Sendungen des Staatlichen japanischen Rundfunks (NHK) geschafft haben. So sei Pettenkofer zumindest den an Deutschland interessierten Kreisen bekannt, zudem dank Ogais Deutschlandtagebuch auch an Literatur Interessierten.

Dass Pettenkofer im Land der aufgehenden Sonne sehr verehrt wurde und wird, hat also Tradition. Ältere Mediziner, wie Professor Toshio Matsushita aus Kagoshima, sähen sich noch heute in seiner Nachfolge. "Diese Generation ist in der Regel noch mit Deutsch als Medizinsprache in Japan aufgewachsen", berichtet Wonde. Bis zum Zweiten Weltkrieg soll es jährlich zu Pettenkofers Geburtstag sowie an seinem Todestag am Hygienischen Institut der Kaiserlichen Universität Tokyo eine Gedenkveranstaltung gegeben haben. Als sie kürzlich einem japanischen Professor gegenüber ihren Vortrag zum gestrigen Gedenktag erwähnte, "kam der Aufschrei "Wie konnten wir das vergessen? " und es wurde auf die Schnelle noch etwas organisiert". Neben Ogai gab es weitere erfolgreiche und bedeutende japanische Schüler Pettenkofers, darunter Ogata Masanori (1854 bis 1919), der später Dekan an der Universität Tokyo und Mitglied der Kaiserlichen Akademie wurde.

Aus Ogais Studien bei Pettenkofer resultierten unter anderem die Publikationen "Über die diuretische Wirkung des Bieres" oder "Japanische Soldatenkost vom Voit'schen Standpunkte". Am Experiment zur harntreibenden Wirkung des Bieres nahmen drei Bayern und zwei Japaner teil, was einen interessanten Vergleich ermöglichte, da die Japaner im Gegensatz zu den Bayern Bier überhaupt nicht gewohnt waren. "Damals kostete ein Bier in Japan zehnmal mehr als eine Tasse Kaffee", erzählt sie. Auch dessen harntreibende Wirkung war Ogai aufgefallen. Foto: Schneider