Kipfenberg
Die Illusion im Spiegel

15.02.2011 | Stand 03.12.2020, 3:09 Uhr

Mit der Spiegel-Therapie können Schmerzzustände oder Lähmungserscheinungen behandelt werden. - Foto: oh

Kipfenberg (EK) Neuartige Therapien eröffnen vielfältige Potenziale in der neurologischen Rehabilitation, in der im letzten Jahr begonnenen Fortbildungsreihe der Klinik Kipfenberg werden die neuesten Entwicklungen regelmäßig erörtert – wie jetzt die Spiegel-Therapie.

Aktuell referierte Dr. Eduard Kraft, Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität München (kleines Bild), zum Thema "Perspektiven der Spiegel-Therapie in der Rehabilitation".

Der Blick in den Spiegel zeigt dem Betrachter eine verkehrte Welt. Diesen Effekt macht sich seit einigen Jahren die Medizin zu nutze, um Schmerzen oder Lähmungserscheinungen zu behandeln. Viele Patienten mit Hirnschädigungen haben mit zum Teil gravierenden Lähmungserscheinungen zu kämpfen. Doch gerade diese sind schwer zu therapieren.

"Damit sich ein Bewegungsablauf wie das Greifen eines Glases einprägt, muss er immer wieder im Alltag trainiert werden. Doch eine Vielzahl unserer Patienten können den betroffenen Arm gar nicht mehr selbstständig bewegen", erklärt Frank Roelandt, Therapieleiter der Klinik Kipfenberg.

Die Spiegeltherapie versucht dieses Problem zu umgehen und wendet dabei einen recht simplen Trick an: Um dem Gehirn vorzugaukeln, dass sich der gelähmte Arm bewegt, betrachtet der Patient nicht seine geschädigte, sondern seine gesunde Hand im Spiegelbild.

"Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass diese Form der Therapie tatsächlich einen positiven Einfluss auf die geschädigte Hand hat", erklärte Kraft. "Wir gehen davon aus, dass durch sogenannte Spiegelneuronen im Gehirn und durch die Verbindung der beiden Gehirnhälften die Information automatisch an die betroffene Hirnregion übertragen wird."

Die Spiegeltherapie wurde ursprünglich zur Behandlung von Phantomschmerzen eingesetzt. Dabei wird dem Gehirn durch den Blick in den Spiegel suggeriert, dass das amputierte Körperteil noch vorhanden sei. Der Schmerz könne dadurch gezielt beeinflusst werden. Inzwischen ist die Spiegeltherapie in den verschiedensten Bereichen der Schmerzbehandlung anzutreffen. In der Klinik Kipfenberg sollen erste Versuche mit der Spiegeltherapie in der Behandlung von Schmerzpatienten unternommen werden.

Wie der Effekt genau zustande kommt und nach welchen Mechanismen er abläuft, kann die Medizin heute noch nicht erklären. Unklar ist ebenfalls, welche Patientengruppen besonders gut auf diese Form der Therapie ansprechen und für welche sie weniger geeignet ist. "Unser oberstes Ziel muss es jetzt sein, den Wirkmechanismus besser zu verstehen, um die Therapie gezielt einsetzten zu können", betont Kraft. Das Verfahren habe jedoch seiner Meinung nach großes Potenzial.