Die große Kunst des Blödel-Oratoriums

"Das Leben des Brian": Am Gärtnerplatztheater gelingt eine frech-fröhliche Genre-Erweiterung

18.07.2021 | Stand 27.07.2021, 3:33 Uhr
Im Ernst: Was für ein Quatsch! Chor und Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz performen ein Monty-Python-Oratorium mit den Solisten Julia Sturzlbaum, Peter Neustifter und Alexander Grassauer. −Foto: Christian POGO Zach

München - Quatsch, Humorgipfel oder Geschmacklosigkeit?

In den 70er Jahren, der Blütezeit der britischen Komikertruppe Monty Python, konnte man darüber noch abendelang streiten. Längst hat sich die Formation aufgelöst, zwei Gründungsmitglieder sind verstorben, ihr Werk hat den Olymp der Komik erreicht. Dort thronen nun die unsterblichen sechs Gottväter des Königsklassenblödsinns, inspirieren ihre Jünger und regen selbst Nachgeborene noch zum Zitatewerfen an.

Im durchaus markstrategischen Verwertungszirkus der Truppe setzte 2007 ein "komisches Oratorium" über den 1979 erschienenen trashigen Bibelfilms "Life of Brian" einen neuen Stein. Das Gärtnerplatztheater sicherte sich die deutschsprachige Erstaufführung (sehr gelungen: Die Übersetzung von Thomas Pigor) und mutmaßlich einen Long-Runner. Die derzeit zulässige halbe Besetzung des Publikums gab jedenfalls nach der Premiere vollen Applaus mit Standing Ovations. Wie lang hat man das nicht mehr erlebt?
Was zunächst sperrig wie ein Händel-"Messias" anmutete, entpuppte sich als grandioser musikalischer Spaß: In feiner Konzertkleidung sind fünf Solisten vor einem spielfreudigen Chor und dem die Bühne besetzenden Orchester positioniert, doch singen sie kein Konzert, sondern eine Show. Sopran und Alt, Tenor, Bariton und Bass verkörpern zugleich die Rollen des Films. Und wenn es dort, in einer reinen Männer-Truppe lange vor jeder Genderdiskussion, hieß: "Are there any women here today? ", dann kann man zumindest in dieser Version heute beherzt "ja! " rufen.

Anna Agathonos gibt eine veredelte Variante von Brians Mutter Mandy, der Kürbisverkäuferin mit dem Vaterschaftsproblem, und Julia Sturzlbaum beweist, dass sich auch Frauen in diesem surreal-schwarzen Humor-Universum behaupten können: Sie singt die "Judith aus Judäa" mit Einsatz und Ernsthaftigkeit, wie sie Mozartkoloraturen angemessen wären, beweist aber dabei ausgebuffte, pointensichere Comedian-Qualitäten. Auch Brian, Maximilian Mayer, besticht mit Stimme, Hüftschwung und Entertainment. Als Römer mit dem albernen Namen Schwanzus Longus (im Original: Biggus Dickus) ist Bass-Kollege Alexander Grassauer dabei. Der Ohrwurm des Abends fällt aber an die Baritonlage: Der wandlungsfähige Erwin Windegger darf empfehlen: "Always look on the bright side of life! "
Die Musik? Jemand muss auf seiner Playlist die Option "beliebige Wiedergabe" gewählt haben. Nichts passt zusammen, aber alles funkelt und gelingt! Der Film wird schamlos gefleddert, aber es klingt auch mal nach Schostakowitsch, dann wie Händel, nachher volkstümelt, jazzt, poppt, swingt es, auch Wagner und Mozart schauen mal vorbei. Howard Arman hält mit dem Orchester des Staatstheaters, das um exotische Instrumente erweitert wurde, den Mix der Stile auf das beste zusammen. Alles klingt vertraut, alles ist fremd und geschrieben vom Python-Kollaborateur und Filmkomponisten John Du Prez.

Den Film über Brian, der mit Jesus verwechselt und im Prophetenwahn eines biblischen Zeitalters gekreuzigt wird, sollte man vielleicht schon mal gesehen haben. Sonst wird man im Oratorium jene klamaukigen Einlagen, mit welchen Peter Neustifter in irren Verkleidungen immer wieder die Bühne stürmt, schwerlich erklären und sich über kichernde Platznachbarn vielleicht nur wundern können. Sein Rollenspektrum, immer mit vollem Körpereinsatz dargeboten, erstreckt sich an diesem Abend vom dampfenden, vielbrüstigen Drachen, der die Marseilleise singt, über die Queen, eine Flamencotänzerin, Pontius Pilatus und einem mümmelnden Schaf bis hin zu einem führerlosen Franken mit Wagner-Flügelhelm - und diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Natürlich könnte man nach diesem Abend achselzuckend und abwertend ein Filmzitat umwandeln und laut fragen: "Mal abgesehen von einer witzigen Idee, einer klug zusammengewürfelten, schmissigen Musik, klasse Sängerinnen und Sängern, einem tollen Chor, einer schrillen Bühnenoptik und einem lustigen Abend: Was hat das Staatstheater schon für uns getan? " Aber mal ehrlich: Warum sollte man das?

DK

ZUR PRODUKTION

Theater:

Gärtnerplatztheater
München

Regie:

Nicole Claudia Weber

Dirigat:

Howard Arman
Choreografie:
Rita Barão Soares

Nächste Vorstellung:

21. Juli

Kartentelefon:

(089) 21851960