Pfaffenhofen
Die Grenzen des Körpers überwinden

Shi Dao An aus Gerolsbach unterrichtet seit 2012 das traditionelle Shaolin Kung Fu in Pfaffenhofen

17.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:25 Uhr
Tina Blum
Die Meisterschüler Simon Kieferl (Ordensname: Shi Quing Mu, links) und Sara Rahnfeld (Shi Quing Shui) trainieren mit Meisterschüler-Anwärter Max Seizmeir (Mitte) ihre Körperspannung mit Kicks. −Foto: Blum

Pfaffenhofen (PK) Meister Shi Dao An aus Gerolsbach ist vollordinierter buddhistischer Mönch. Dem Katholizismus hat er den Rücken zugewandt. Stattdessen bildet er Novizen aus und bietet in Pfaffenhofen unter anderem das traditionelle Shaolin Kung Fu an. Etwa fünf bis 15 Schüler erhalten dort die Lehre der chinesischen Kampfkunst. Die buddhistischen Werte, die das Kung Fu transportiert, haben Shi Dao Ans Schüler verinnerlicht und bemühen sich, es in ihren Alltag einzubinden.

In einem Kreis stehen die Schüler um ihren Meister herum. Die Hände werden zum Gruß flach aufeinander gelegt, begleitet vom Ausspruch "Amitofu" - die Begrüßung für Buddha des reinen Landes. "Laufen", sagt Shi Dao An und seine Lehrlinge laufen los. Gekleidet sind die Schüler in graue Kampfanzüge. Bis zu den Knien tragen die Kämpfer weiße Strümpfe, die mit einem schwarzen Band überkreuz gebunden sind. Der Meister trägt einen gelben Anzug. Es handelt sich dabei um den traditionellen Kampfanzug der Shaolin-Mönche.

Selbstdisziplin, die Grenzen des eigenen Körpers überwinden, sich selbst verteidigen können - das lernen die Schüler des Gerolsbacher Meisters Shi Dao An im Training. Und das merkt man auch: Nach nur einigen Minuten des Aufwärmtrainings hört man schon das angestrengte Schnaufen der Schüler. "An sich selbst arbeiten, darum geht es hier", sagt der Meister. Ein stahlharter Körper, der gleichzeitig beweglich ist, dahin sollen und wollen seine Schüler erreichen.

Shi Dao An - sein bürgerlicher Name ist für ihn ein unnötiges Überbleibsel, das nur noch von einzelnen Familienmitgliedern verwendet wird - ist in Hamburg geboren und in Gerolsbach aufgewachsen. Für die asiatischen Kampfsportarten hat er sich schon im Grundschulalter interessiert und früh mit dem Training begonnen: Von Judo über Karate bis hin zum Kung Fu.

Die Begeisterung für die chinesische Kampfkunst teilen auch die Schüler Shi Dao Ans. Wer ein bisschen Sport zum Ausgleich machen möchte, ist hier definitiv falsch. "Ich trainiere seit August und möchte Meisterschüler werden", sagt Max Seizmeir aus Pfaffenhofen. Sein Bruder Josef trainiert seit Anfang November mit. Er? trägt ein gelbes Band um die Taille gebunden. Als Anwärter zum Meisterschüler trägt sein Bruder Max ein grünes Band. Die Meisterschüler haben einen roten, Anfänger haben einen gelben Gürtel. Der Meister trägt traditionell einen schwarzen Gürtel.

Inzwischen sind die Schüler nicht nur durch die Halle gelaufen, sie haben auch Räder geschlagen - zum Teil einhändig - und haben die Aufwärmrunden unter anderem in der Hockstellung gemacht. Wem es zu viel wird, der macht eine Pause. Die eigenen Grenzen überhaupt erst zu erkennen, gehöre eben auch dazu, sagt Shi Dao An. Eine Steigerung ist das Ziel.

"Als Meisterschüler gehören die Lehrlinge zum inneren Kreis und werden vom Lehrer in geheime Techniken der Kampfkunst eingeweiht", sagt Shi Dao An. "Eine Ehre" sei es, wenn man dazu berufen wird. Der Meister beurteilt die Fähigkeiten seiner Schüler und entscheidet nach eigenem Ermessen, wem diese Ehre zu Teil wird. "Es ist ein Angebot, kein Zwang. Man ist nur sich selbst verpflichtet, weiter an sich zu arbeiten", so Shi Dao An.

Er selbst hat ab dem Jahr 2000 seine Ausbildung im Shaolin-Tempel im Herzen Chinas, der am Berg Songshan in der Provinz Henan liegt, absolviert. Zudem habe ihm sein Lehrer nach der Ordination zum buddhistischen Mönch den Auftrag erteilt, die Prinzipien des Shaolin-Tempels und die Werte und Lehre des Chan-Buddhismus nach Europa zu bringen. Der Lehrer wünschte sich, dass Shi Dao den Tempel Xioalin nennt und dort die traditionellen Werte des Buddhismus, der Kampfkunst und der chinesischen Medizin zu lehren. Und das tat er.

Zunächst rief er das Kung-Fu-Training ins Leben. Erst wurde draußen trainiert, da es keinen Raum gab. Seit vergangenem Jahr finden immer mehr Kung- Fu-Interessierte den Weg zu Shi Dao An und es fand sich auch für die kalte Winterzeit eine Turnhalle für das Training. Seit 2014 gibt es auch den Verein Xiaolin Tempel offiziell und zählt mittlerweile 22 Mitglieder. Als vollordinierter Mönch - Shi Dao An sorgt als buddhistischer Mönch für die Sicherung und den Erhalt des Glaubens und dessen Werten - bildet er Novizen aus, die sich ebenfalls zum buddhistischen Glauben bekennen. Einen richtigen Tempel hat der Verein (noch) nicht. "Bei einem Jahresbeitrag von 15 Euro kann es noch etwas dauern, bis wir das Geld dafür zusammen haben", sagt Shi Dao an. Für ihn stehen die kommerziellen Zwecke des Vereins nicht im Vordergrund: "Es geht um Werte."

Als buddhistischer Mönch in Europa ist Shi Dao An an kein Gelübde wie das Zölibat gebunden. Er ist verheiratet. Die buddhistische Lehre, die er vermittelt, an die westliche Welt angepasst. So trainieren in Pfaffenhofen Männer und Frauen gemeinsam Kung Fu - traditionell wurden Männer und Frauen getrennt unterrichtet.

Die Kampfkunst ist generell keine Männersache. "Frauen, Kinder, ob mit oder ohne Vorkenntnisse - jeder, der laufen und atmen kann, kann hier mitmachen", sagt Shi Dao An und lacht.

Tina Blum