stadtgeflüster
Die glorreichen Neunzehn

03.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:28 Uhr

(reh) Im Grunde bräuchte es diese Glosse gar nicht, da es sich kaum mehr überzeichnen lässt, was sich zum Thema Livestream aus den Stadtratssitzungen zuletzt abspielte.

Realsatire sollte man einfach nur nacherzählen, und das reicht für weite Teile der Bevölkerung, die wir hier der Einfachheit Wähler nennen, schon zum Kopfschütteln. Ingolstadt, der bayerische Vorhof zu China, Heimat eines Premium-Autoherstellers, zweier beinahe global verbreiteten Elektronikmarktketten, Speerspitze der vom Oberbürgermeister höchstpersönlich und hochkorrekt ausgerufenen Digitalisierungswelle, Standort für das schickste Digitale Gründerzentrum der westlichen Hemisphäre, schafft es nicht, unfallfrei eine Hörfunkübertragung der Redebeiträge seiner vom Volk gewählten Vertreter aus einem Rathaussaal hinzubekommen.

Und wir reden ja bekanntlich nicht, von irgendwelchen technischen Unzulänglichkeiten, sondern "Deppenhaufen"-mäßigen Problemen. Es ist völlig klar, dass die Aufregung nur der willkommene Anlass für die Stadtspitze als angebliche Transparenz-Freunde und Bürgerbeteiliger ist, den Transport des ungefilterten gesprochenen Worts der geistigen und gesellschaftlichen Elite dieser Stadt zum Wähler erstklassig zu beerdigen. Glorreiche 19 von 50 Stadträten haben sich mit ihrer Unterschriftenverweigerung daran beteiligt und sich die großen und nach fast vier Jahren Livestream-Betriebs verordneten Magenschmerzen des städtischen Datenschutzbeauftragten zu Eigen gemacht. Und alles nur wegen des "Deppenhaufens", den der SMS-Bürgermeister Albert Wittmann nach Erhalt einer Kurznachricht ins gemeinerweise offene Mikrofon seines Vorgesetzten Christian Lösel murmelte.

Was aber keiner bedenkt: Wie soll nun Starkbierredner Johannes Langer seinen nächsten Ohrwurm über den "Deppenhaufen" dichten, wenn nicht mit Live-Beiträgen vom "Deppenhaufen" selbst. Das sind doch die zentralen Fragen. Und nicht der ach so wichtige Datenschutz.