Die Festung der Ingenieure

08.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:51 Uhr

Sehenswerte Architektur im abgeschirmten Bereich: Die Audi-TE wird nach städtebaulichen Prinzipien fortentwickelt. Rolf Drießen (r.) führte die Besucher zusammen mit Henning Adickes und Thomas Vogel auch durch die große Halle im Komplex T 22. - Foto: Reinhold Weinretter/Audi

Ingolstadt (DK) Die vierte Architekturwoche endete am Samstag mit der Tour über ein Areal, das sonst für die Öffentlichkeit streng verschlossen ist: Die Audi-TE (Technische Entwicklung), die auf dem Rest des Forts Max Emanuel entstand und als gutes Beispiel für städtebaulich orientierte Industriearchitektur gilt.

Der geheime Bezirk öffnete sich nur ein Stück, verriet nicht das kleinste technische Detail. Die TE ist top secret. Die Tourteilnehmer passierten streng abgeschottete Versuchsgebäude. Ein Herr vom Werkschutz folgte unauffällig. Und doch gewannen die Gäste – mehr als 100 hatten sich versammelt – tiefe Einblicke: in moderne Industriearchitektur. Mutige Bauten, deren Zweck das rein Funktionale überwunden hat.

Lange schon reiht Audi nicht mehr einfach Halle an Halle, Kasten an Kasten, wie man es von einem Unternehmen mit derart rasantem Wachstum vielleicht erwarten würde. Die Referenten Henning Adickes, Rolf Drießen und Thomas Vogel, alle drei intime Kenner der TE, fassten die Sprache der Architekten in Worte: Hier herrscht räumliche Vernetzung. Entwicklung, Produktion und Planung werden kreativ, die Hangsituation nutzend, auf mehreren Ebenen zusammengeführt.

Es begann in den Siebzigern mit dem Bürokomplex T 1. Der erste innovativ-markante Neubau war 1989 die Versuchshalle T 22. Das Elektronikcenter T 20 samt der gewaltigen Halle, die mit so manchem Museum für moderne Kunst konkurrieren könnte, setzte 2004 endgültig "den Markstein für den Aufbruch in das Elektronikzeitalter", erklärte Adickes.

Der Effekt für die Mitarbeitermotivation scheint immens. Jörg Schretzenmayr, Audi-Entwickler im Ruhestand, kehrte am Samstag kurz an seinen alten Arbeitsplatz zurück. Sofort war wieder die Faszination da. "Ein erhebendes Gefühl, hier durchzugehen! Wie ein Marktplatz in der Firma." Schretzenmayr weiß noch, wie es früher war. "Eine reine Zweckzeit. Da schien nur wichtig zu sein, dass es nicht reinregnet." Ein bisschen von dem Mut der Audi AG zu innovativer Architektur würde er sich bei der Stadt Ingolstadt wünschen.

Die TE ist eine Stadt für sich – ein Ort steter Verdichtung, erklärte Thomas Vogel. Daher sei das Areal auch gemäß städtebaulichen Prinzipien angelegt. "Die Weiterentwicklung folgt einem Masterplan TE." Die Ziele: Konsolidierung und Vernetzung im Produktionsalltag. Zudem erfüllt das Konzept eine symbolische Funktion: Dynamik und Kreativität als architektonisch vermittelte Botschaften.

Und da ist natürlich noch die geschichtliche Dimension des TE-Areals, welche den Anlass für die Exkursion lieferte. Denn das Technologiezentrum entstand einst nicht auf der grünen Wiese, wie es im Jargon der Planer heißt, vielmehr wurde eine Ruine vollständig überbaut. Am 5. April 1945 hatten 212 amerikanische B 17 das Fort Max Emanuel IV mit 15 000 Bomben zerlegt (Adickes: "Die waren echt gründlich"). 1946 wurden die Reste gesprengt. Das Bewusstsein, auf einer früheren Verteidigungsanlage zu residieren, sei in der TE präsent, erzählt er.

Vom Refugium der Schanzer zur Festung der Ingenieure – wohl nirgendwo kommen sich das alte und das neue Ingolstadt so nahe wie hier.