Gerolsbach
Die Erinnerungen bleiben

13.04.2011 | Stand 03.12.2020, 2:56 Uhr

Letzten Endes sind es nur Steine und Holzbalken: Ein Abrissbagger fraß sich gestern tief in die Schickeria – und versetzte damit so manchem Gerolsbacher einen tiefen Stich ins Herz. Nicht nur wegen der politischen Dimension dieses finalen Aktes, sondern vor allem wegen der emotionalen, die eng mit dem Gewölbesaal zusammenhängt, der auf diesem Foto durch das große Loch in der Wand zu erahnen ist. - Foto: Hofmann

Gerolsbach (SZ) Die Schickeria fällt: Seit gestern wird sie abgerissen, um Platz für ein neues Rathaus zu schaffen. Allen Bestrebungen, das Gebäude mit seinem Gewölbesaal zu erhalten, ist damit ein abruptes Ende gesetzt.

Es war im Vorfeld viel geredet worden von den vollendeten Tatsachen, die in der Rathausfrage mit dem Abbruch der Schickeria geschaffen werden könnten. Nun gibt es sie. Erst am vergangenen Montag hatte der Gemeinderat festgestellt, dass der Bürgerentscheid, mit dem nach dem eigentlichen Willen der Initiatoren wohl die Schickeria hätte erhalten werden sollen, aus rechtlichen Gründen gar nicht stattfinden dürfe (wir berichteten). Gleich im Anschluss an diese denkwürdige Ratssitzung tagte der Verwaltungsrats des Kommunalunternehmens, das mit dem Rathausneubau beauftragt ist. Und der beschloss, wie gestern auch Bürgermeister Martin Seitz der Schrobenhausener Zeitung bestätigte, die Abbrucharbeiten an eine Klenauer Firma zu vergeben. Die Abbruchgenehmigung habe die Gemeinde bereits im Februar vom Landratsamt bekommen, sagte Seitz. Damals stand das Bürgerbegehren noch gar nicht ins Haus.
 

In den gut 100 Jahren seines Bestehens hat das schlichte Gebäude viel erlebt. Pferdestall, Tanzlokal und Künstleratelier war es, zuletzt wurde es sporadisch für Ausstellungen genutzt und schließlich zum Politikum. So mancher Gerolsbacher hat hier, als es noch das Tanzlokal "Carolas Pferdestall" oder später die Diskothek "Schickeria" war, seinen Lebenspartner kennengelernt – oder auch wieder verloren. Unvergessliche Abende und Nächte wurden hier gefeiert. Die Disco in der Gerolsbacher Ortsmitte war am Wochenende ein Magnet für junge Leute aus einem weiten Umkreis. Bis aus dem Münchner Umland kamen sie damals, als das Ganze einen Hauch von "Irgendwie & Sowieso" hatte. Später dann zog ein Künstler ein, ließ das Haus für viel Geld herrichten, zum Beispiel mit einem neuen Dach ausstatten, und zudem fast alle Fenster zumauern, um eine kreative Atmosphäre zu schaffen.

Vor gut zwei Jahren kaufte die Gemeinde das Gebäude samt dem es umgebenden Grund. Bald reiften Pläne, die Schickeria in ein Rathaus oder kombiniertes Rat- und Bürgerhaus umzubauen. Auch der Gewölbesaal sollte wieder genutzt werden. Doch dann stellte sich heraus, dass der zur Verfügung stehende Raum nicht ausreicht – das Gebäude hätte aufgestockt werden müssen. Das wiederum hätte zu statischen Problemen geführt: Zwei dicke, frei tragende Zwischendecken wären nötig gewesen, zudem neue Außenwände, die das auch tragen. Es rechnete sich nicht mehr.

Die Schickeria sollte also mitsamt ihrem Gewölbesaal abgerissen werden. Dieser Gedanke schien so manchem Gerolsbacher nicht zu gefallen – zu viele Erinnerungen hängen an diesem Raum, war erst bei der Bürgerversammlung vor fünf Wochen gesagt worden. Allerdings sind die Zeiten, da die Schickeria noch die "Schickeria" war, lange vorbei. Und seit gestern, spätestens ab heute ist das Kapitel Schickeria wohl ganz abgeschlossen.

Ein paar Urgesteine der "Pferdestall"- und "Schickeria"-Zeiten sollen gestern Nachmittag noch eine spontane Abbruchparty in dem Gebäude gefeiert haben, das ihnen früher quasi als zweites Wohnzimmer diente. Da soll dann noch einmal die eine oder andere Halbe gegen den Durst und vielleicht auch ein oder zwei Schnapserl zum Vergnügen getrunken worden sein. Wehmütig wurde der alten Zeiten gedacht, hört man, aber letztlich habe sich die Erkenntnis durchgesetzt: Die Schickeria war immer die Mitte des Ortes – ob als Pferdestall oder als Tanzlokal. Auch künftig soll hier das Zentrum sein – mit dem Rathaus. Als die Männer – denn inzwischen sind die jungen Burschen von damals ja gestandene Mannsbilder – dann mit dem leeren Biertragl in der Hand die Stätte ihrer Jugend verließen, rollte schon der Abrissbagger vom Tieflader. Der Rest ist Geschichte.