Die einen sind frech, die anderen kuschelig

24.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:39 Uhr

Franz Eller geht mit einem Eimer voran, so folgen ihm die meisten Kühe gerne. - Foto: Hammerl

Hollenbach (ahl) Seit fast zwei Jahren betreiben die Neuburger Ulla und Franz Eller zusammen mit Tierarzt Rupert Ebner aus Ingolstadt das Beweidungsprojekt am Langen Weiher und haben den Rinderbestand nicht nur stark vergrößert, sondern auch ihre Erfahrungen mit den halbwilden Rindern gesammelt.

Dumm sind die Wiederkäuer jedenfalls nicht, da sind sich alle Beteiligten einig. Ulla Eller hat richtige Persönlichkeiten ausgemacht unter den mittlerweile 38 Tieren. Die größte Gruppe sind nach wie vor die Murnau-Werdenfelser, die ebenso wie die Piemonteser am liebsten unter sich bleiben. "Rinder sind Rassisten", behauptet Ebner daher. Tatsächlich bilden Murnau-Werdenfelser und Piemonteser regelrechte Cliquen, die sich auf der großzügig bemessenen Weidefläche nicht mischen. Müssen sie auch nicht, der Platz reicht völlig aus.

Jeden Tag bekommen die Rinder Besuch, meist sogar zweimal täglich. Das liegt nicht nur daran, dass da draußen die Welt in Ordnung ist. "Ein kleines Paradies, ein Projekt für die Seele", schwärmt Eller und erzählt von immer mehr Wasservögeln, die sich dazu gesellen und dass sich "die Tiere dort unglaublich wohl fühlen, egal bei welchem Wetter".

Die regelmäßige Kontrolle hat auch praktischen Hintergrund. "Weidehaltung birgt immer gewisse Risiken", erklärt Ebner die umfassenden Vorkehrungen, die mit entsprechend ausgestatteten Zäunen getroffen wurden, damit die Kühe nicht ausbrechen können. "Besonders wenn die Autobahn in der Nähe ist, macht das keinen Spaß", spielt er auf die Kuh an, die er kürzlich bei Lenting mit dem Betäubungsgewehr außer Gefecht setzen musste. Sie war aus einem Stall ausgebrochen und anders nicht mehr zu fangen. Das Narkoserisiko sei dann besonders groß, weil die nötige Untersuchung vor der Narkose aus mindestens 100 Meter Entfernung geschehen muss und sich das Tier zudem in einer Stresssituation befindet.

In Hollenbach hat die Umzäunung bislang standgehalten, dennoch wird täglich nachgeschaut, auch, weil trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Verletzungen vorkommen. Einen Klauenabszess hatte kürzlich Gerti, weshalb sie sich nun im Stall auskurieren lassen muss. Sie machte es dem Tierarzt besonders schwer. "Wenn das weiße Auto vorfährt, spitzen Gerti und Pippilotta die wissen, dass dann eine Aktion geplant ist". Piemonteserkuh Pippilotta hatte einen Kaiserschnitt und die Nachbehandlung nahm sie übel.

Etwa 20 Tiere kämen von selbst zum Korral, erzählt Ebner, die anderen mit Geduld und Tricks und nur für wenige, ganz Misstrauische müssen alle Register gezogen werden. So wird die Weide Stück für Stück trichterförmig abgetrennt, bis kein anderer Weg als in den Korral mehr bleibt. Den benötigen die Rinderhalter für Impfungen, Pflegemaßnahmen und Untersuchungen, mitunter auch für gesetzlich vorgeschriebene Blutentnahmen. Und das merken sich schlaue Rinder.

Nach Blutentnahme und der ersten Impfung gegen die Blauzungenkrankheit brauchte es deutlich mehr Zeit, ehe alle für die zweite Impfrunde unter Dach und Fach waren. "In der Ruhe liegt die Kraft", hat Ulla Eller auf einem Seminar in Plankstetten gelernt, wo Agraringenieur Philipp Wenz im Low-Stress-Stockmanship zeigte, wie mit Rindern ohne Druck und Stress umgegangen wird. Vor Ort kam Wenz bei der Roten Zora allerdings selbst ganz schön ins Schwitzen. Zora gehört zu den Rinderpersönlichkeiten, die Eller mit am meisten Spaß machen. Eigentlich wollte sie Zora wegen ihrer Schönheit haben, bedachte dabei aber nicht, dass die "hochdominante und rotzfreche" Kuh nicht so ganz einfach im Umgang ist. Friedfertiger, wenn auch ähnlich dominant ist Schalong, die es mit ganz ruhigen Bewegungen, kaum merklichem Kopfsenken und Hörnerzeigen schafft, sich bei ihren Weidegenossen Respekt zu verschaffen.

"Eine richtige Kuschelkuh" ist dagegen Mausi, eine Murnau-Werdenfelserin, die sich am liebsten ein wenig fern der Gruppe hält und sich schon gar nicht ums Futter streitet. Sie wartet lieber, bis ihr Leckerli gebracht werden. Wobei die heuer gar nicht so sehr begehrt sind, weil das Futter im Langen Weiher aufgrund der optimalen Wetterbedingungen ohnehin nichts zu wünschen übrig lässt, was Ebner ein wenig bedauert, da sich die Tiere nicht so ohne weiteres mit einem einfachen Eimer in den Korral locken lassen.

"Sie reagieren auf unsere Stimmung, die spüren sofort, wenn etwas im Busch ist und wir sie unbedingt dort drin haben wollen", erzählt Eller. Wie es besser geht, hat sie in Plankstetten gelernt: "Wenn man sich selbst zurück nimmt, dann funktioniert es". Jetzt wird geübt, immer wieder – ohne Spritze. Damit die Kühe konditioniert werden und beim Abtrieb gut zu händeln sind.

Den Winter werden sie heuer erstmals im neuen Stall auf Gut Rohrenfeld verbringen, wo derzeit renoviert wird. "Seit 50 Jahre standen dort keine Rinder mehr", erzählt Ebner und Eller schwärmt, wie schön das neue Zuhause für ihre Tiere wird. Bis Mitte Oktober soll das Winterquartier fertig werden, für Anfang November ist der Abtrieb geplant, der dann auf Gut Rohrenfeld gefeiert werden soll.