Ingolstadt
Die Druckmacher

Kraft ihrer Arme: Andreas Sander und seine Kollegen kontrollieren Grabmale auf Standfestigkeit

14.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:37 Uhr
Andreas Sander übt Druck aus: Auf dem Westfriedhof testen seine Kollegen und er Grabsteine mit bloßer Kraft der Arme auf ihre Standfestigkeit und melden Mängel den Besitzern. −Foto: Brandl

Ingolstadt - Wenn Andreas Sander mit dem Arm gegen Grabsteine drückt, dient das nicht dem Muskelaufbau und hat auch nichts mit Vandalismus auf dem Friedhof zu tun: Der Mitarbeiter des städtischen Bestattungsamts ist mit zwei Kollegen auf dem Westfriedhof unterwegs, um dort rund 7500 belegte und rund 2500 freie Gräber auf ihre Sicherheit - besser gesagt, die Grabmale auf ihre Standfestigkeit - zu prüfen.

Die Prozedur wiederholt sich jedes Jahr nach Ende der Frostperiode auf allen Ingolstädter Friedhöfen an sämtlichen Grabmalen, wie die Behörde mitteilt. Und das aus einem wichtigen Grund: Stoßen die Leute um Sander auf Grabsteine, die sich gelockert haben, wird das den Grabnutzungsberechtigten, meist also den Angehörigen bestatteter Personen, gemeldet. Sie sind demnach für den verkehrssicheren Zustand der Grabstellen verantwortlich und müssen diese Mängel unverzüglich beseitigen.

Auf rund 30 bis 70 Gräber mit relevanten Mängeln stoßen Sander und seine Kollegen jährlich auf dem Westfriedhof. Allerdings gibt nicht jedes kleine Spiel und jede leichte Bewegung an einem Grabstein gleich Grund zur Beanstandung. Schnell stellt Sander an einem Grabmal fest, dass es bei Druck lediglich federt, aber nicht locker im Erdreich sitzt. Gefährlich sei das nicht, sagt er. Auch ein locker sitzendes Blechdach auf einem Grabmal bereitet ihm heute keine Bedenken. Von einer gewissen Leichtfertigkeit im Umgang mit Mängeln rät er jedoch dringend ab.

Uneinsichtige Grabbesitzer bittet der erfahrene Stadtbedienstete deshalb schon einmal ins Büro, um ihnen einen älteren Zeitungsausschnitt aus dem HILPOLTSTEINER KURIER vorzulegen. Dieser berichtet über einen tragischen Unglücksfall auf einem Friedhof in Mittelfranken, bei dem ein kleines Kind ums Leben kam, nachdem es unter einen aus der Verankerung gefallenen Grabstein geraten war. Der Bericht verfehle seine Wirkung nicht und sorge rasch für Einsicht, so Sander.

Doch wie kann es überhaupt geschehen, dass die meist zentnerschweren, massiv auf Sockeln verdübelten und metertiefen Fundamenten ruhenden Grabsteine sich lockern? "Das ist nicht unbedingt eine Frage des Alters", sagt Sander und zeigt auf eine Silikonverfugung zwischen Stein und Sockel. Das Silikon könne sich lösen. Wenn dann Wasser eindringe und im Winter gefriert, könne ein Hohlraum entstehen, der zu einem Mangel führt, erklärt Sander. Aber auch Erdbewegungen könnten eine Ursache sein.

Registriert er bei einer Kontrolle eine leichte Bewegung bei einem Grabstein, so baue er bei einem erneuten Drucktest noch mehr Kraft über den Arm auf, mit dem er gegen den Stein presst, sagt er. Wichtig sei dabei, dass nicht gestoßen, sondern gedrückt werde. Umfallen könne das Grabmal dadurch noch nicht, versichert Sander. Dazu wäre ein höherer Druck nötig, den er allein mit dem Arm nicht aufbauen könne.

DK


Michael Brandl