Kelheim
Die Donauschifferin

Renate Schweiger hat das Kommando über die "Renate III" - Früher hatte sie mit Vorurteilen zu kämpfen

21.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:27 Uhr
Reederin Renate Schweiger kennt die Schifffahrt aus dem Effeff. −Foto: Jädicke

Kelheim (DK) Vier Generationen von Kapitänen in nur einer Familie fahren seit 1967 auf der Donau und auf dem Main-Donau-Kanal. Darunter zwei Frauen. Renate Schweiger ist eine von Ihnen. Wir haben die Schifferin in Kelheim besucht.

Ein letztes Mal steuert sie ruhig und mit viel Fingerspitzengefühl das alte Mädchen in die Parklücke am Anleger Altmühltal. 30 Jahre lang war die Donauschifferin Renate Schweiger Kapitän auf der "Renate II". Sie hätte diese letzte Fahrt auf dem alten Schiff lieber durch den Donaudurchbruch am Kloster Weltenburg gemacht. Aber das Wasser steht dort fast so tief wie im Jahr 2003, wo der Pegel Kelheim-Donau nur 195 Zentimeter anzeigte. 65 Tage lang lag die "Renate II" sozusagen auf dem Trockenen und das in der Hochsaison. Mit jedem sinkenden Pegel-Zentimeter wuchs der Frust. "Es war das bislang schlimmste Jahr in der Geschichte der Personenschiffahrt Schweiger", sagt die große und kräftige Frau mit dem sanften und entschiedenen Wesen.

Heute steht der Pegel bei 203 Zentimetern. Zu wenig für die Fahrt zum Kloster, aber genug für eine Rundfahrt von Kelheim Anleger Altmühltal, Richtung Regensburg bis Kapfelberg, vorbei am Yachthafen und zurück. So dramatisch wie damals ist die Lage für das alteingesessene Unternehmen mit rund 30 Mitarbeitern, im Jahr nach dem 50-jährigen Jubiläum nicht. Und so gleitet das alte, aber treue Motor-Schiff fast lautlos auf dem Main-Donau-Kanal dahin. In der Zukunft wird die ausrangierte Dame auf dem Neckar fahren. Die Donauschifferin aber bleibt ihrem Fluss treu und freut sich auf "Renate III", das neue Schiff.

Es ist größer, heller und hat einen umweltfreundlichen Antrieb. Ein wenig umgewöhnen müsse sie sich schon, sagt Renate Schweiger. So gibt es jede Menge Monitore und Hightech. "Das Steuerrad wird mir fehlen." Schließlich hat Schweiger die Schifffahrt von der Pike auf gelernt, mit all ihren Tücken.1984 erwarb sie das Kapitänspatent an der Binnenschifferschule in Würzburg.

1979 begann die Ausbildung zur Binnenschifferin. Schweiger hat jenen ersten Tag auf dem Frachtschiff der Bayerischen Lloyd in Regensburg nie vergessen. Als die junge Kapitänsanwärterin an Board ging, schien ein Traum wahr zu werden. Erst zwei Jahre zuvor hatte die Rechtsprechung für Frauen mehr Freiheiten gebracht. Und dann das: Der Kapitän des Schiffes weigerte sich mit dem Lehrling abzulegen. "Mit 'ner Frau an Board fahr ich nicht", hatte Kapitän Karl Fröhlich unvermissverständlich klar gemacht. Dabei war Renate Schweiger nicht die erste Frau mit Donaukapitänspatent. Mutter Rosa hatte es vorgemacht. 1974 war sie die erste Frau an der Donau, die das Schifferpatent erhielt. Vater Josef Schweiger hatte 1967 zusammen mit seiner Frau die Personenschiffahrt Josef Schweiger gegründet.

Das alte Vorurteil aber gegenüber Frauen an Bord war so lebendig, wie der Unmut des "alten Grantlers". Dass sie doch bleiben durfte, verdankte Renate Schweiger einem noch viel älteren Prinzip. "Hoch sticht tief." Der mürrische Kapitän musste sich fügen und das junge Mädchen aus der bekannten Schifferfamilie an Bord nehmen. "Bring ihm einen Kaffee", riet ihr eines Tages der Maschinist Juri. Als der Kapitän nicht mehr umhin konnte und das Steuer für kurze Zeit verlassen musste, raunte er nur. "Kannst fahren?" "Klar, kann ich fahren", sagte die damals 15-Jährige und übernahm das Ruder. Nach seiner Rückkehr sah er ihr eine ganze Weile lang noch zu. Dann war das Eis gebrochen. "Na fahren kannst ja", raunte er, noch immer mürrisch. Heute sind sie Freunde. Er nennt sie "mein Mädchen". Und Renate Schweiger ist seit mehr als 30 Jahren Donauschifferin.

1971 gründeten die drei Kelheimer Personenschiffer die Vereinigte Schiffahrtsvereinigung Kelheim. Sie teilen den Anleger auf der Donau mit insgesamt fünf Schiffen. Geben eine Fahrkarte und einen Preis aus. Der erwirtschaftete Umsatz fließt in einen Topf und wird nach einem festgesetzten Schlüssel wieder ausgegeben. "So habe ich immer das gleiche Einkommen", sagt Schweiger. "Egal ob ich 500 Passagiere an Bord habe oder fünf."

Die Überführungsfahrt der "Renate III" war Aufgabe des Juniorchefs. Andreas Schweiger soll den Betrieb in wenigen Jahren übernehmen. Bis dahin aber hat noch Mutter Renate das Kommando.

Flora Jädicke