Eichstätt
"Die Bürger erwarten, dass wieder gehandelt wird"

Sozialdemokraten aus der Region haben unterschiedlich über Große Koalition abgestimmt: Nein aus Wellheimer SPD

05.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:44 Uhr

Eichstätt (kpo) 66 Prozent der SPD-Mitglieder in Deutschland haben für eine Neuauflage der Großen Koalition in der Bundesregierung gestimmt. Wie stehen Sozialdemokraten aus der Region zu dem Ergebnis? Wir haben uns umgehört.

"Ich hätte nicht mit dieser Deutlichkeit gerechnet", sagt Sven John, Vorsitzender des SPD-Unterbezirkes Eichstätt. Er findet das Ergebnis gut und betont, dass es nun darum gehe, eine Regierung zu bilden, die ordnungsgemäß arbeiten kann. "Die Bürger erwarten jetzt, dass wieder gehandelt wird." Er stehe seit den Sondierungsgesprächen positiv zur Groko-Neuauflage, denn nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen und der Absage an die Idee einer Minderheitsregierung habe sich nun einmal eine neue Situation ergeben. Wenn jetzt endlich ein Koalitionsvertrag vorliegt, dann "kann man, soll man und muss man dem auch zustimmen", sagt John. Er habe den Vertrag gelesen und die Inhalte seien für ihn in Ordnung. Welches Detail dabei welche Parteien-Handschrift trage, sei nicht entscheidend. "Es ist ein Gemeinschaftspapier, jetzt gilt es, das auch gemeinsam umzusetzen."

Stefan Schieren, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Eichstätter Stadtrat, sieht eine Großen Koalition inzwischen ebenfalls als die bessere Variante gegenüber Neuwahlen. Er habe sich erst nach den Koalitionsverhandlungen, in denen die SPD noch herausgeholt habe, was herauszuholen war, "extrem schweren Herzens" von seiner vorher ablehnenden Haltung verabschiedet. Im Koalitionsvertrag sei "vieles Gutes drin für die Menschen", sagt er. Bei den Themen Wohnungsnot, Situation in der Pflege, Zuwanderung und der krisenhaften Zuspitzung in der Außenpolitik müsse aber noch mehr gehen. "Es gäbe noch einiges zu tun, was nicht im Koalitionsvertrag steht, aber Raum böte für eine Profilierung der SPD im Hinblick auf die nächsten Wahlen", meint Schieren.

Schon jetzt eine stärkere sozialdemokratische Ausrichtung des Koalitionsvertrags hätte sich Wolfgang Löffler gewünscht. "Ich habe gegen die Groko gestimmt", sagt er. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Wellheimer Marktgemeinderat ist auch Kreisvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (Afa). Ausschlaggebend für sein Nein war vor allem, dass die Arbeitnehmerbelange ihm im Koalitionsvertrag zu schwammig formuliert sind. Ihn störe beispielsweise, dass sachgrundlose Befristungen weiterhin möglich seien und Bestimmungen zur lückenlosen Durchsetzung des Mindestlohns fehlten. 8000 neue Stellen, die laut Koalitionsvertrag in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden sollen, nennt Löffler einen "Tropfen auf den heißen Stein". Auch, dass die Verwendung des Pestizid-Wirkstoffes Glyphosat nicht verboten wird, ärgert den Wellheimer SPDler. Zwar habe seine Partei trotz des schlechten Wahlergebnisses noch ein gutes Ministerkontingent erreicht und der Koalitionsvertrag enthalte durchaus auch positive Inhalte. Dennoch sei er zu dem Schluss gekommen, dass der Vertrag insgesamt eher eine negative Entwicklung für die Gesellschaft bedeute. Und das Papier widerspreche in wichtigen Themen seinen drei politischen Leitmotiven, die er auch als Kommunalpolitiker stets angewandt habe: "Menschlichkeit, Ehrlichkeit und soziale Gerechtigkeit." ‹ŒFotos: Chloupek, Poese,

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