Ingolstadt
Die Breze wird international

19.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:19 Uhr

Ingolstadt (DK) Rote Läuse als Farbstoff für Joghurt, Rinderblut in Schokolade oder Schweinefett in Brezen – so etwas erzählen Jugendliche gern, um anderen den Appetit zu verderben. Im Nachhinein wird es den einen oder anderen Vegetarier gruseln: Jahrelang hat er ahnungslos Schweinefett gegessen. Der Wandel kam erst mit den Muslimen. Heute wird oft Margarine verwendet.

Alles Quatsch? Nicht ganz. "Die Verwendung von Schweinefett für die Brezenherstellung ist uns bekannt", sagt Andrea Danitschek, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Bayern in München. Nur die Verbraucher wissen das nicht: In den Auslagen der Bäckereien findet sich meist kein Hinweis auf das verwendete Fett und eine Kennzeichnungspflicht gibt es nicht. Allerdings kann der Kunde nach der Zutatenliste fragen. Viele Bäckereien weisen jedoch nicht auf dieses Verzeichnis hin, obwohl sie es laut Verbraucherzentrale eigentlich müssten. Auf die mündliche Auskunft ist nicht immer Verlass. "Leider ist das Personal in der Regel nicht geschult", bedauert Ernährungsexpertin Danitschek.

In der Filiale einer Großbäckerei in Ingolstadt macht die Verkäuferin große Augen. Schweinefett in Brezen? Diese Frage hat sie noch nie gehört. Ihre Kollegin widerspricht. "Muslime fragen mich das öfter." Eine Zutatenliste lässt sich aber nicht finden.

Herausschmecken können Laien den Unterschied übrigens kaum, denn in jeder Breze stecken nur wenige Gramm Fett. Aber die Sorge, mit dem Verzehr von Brezen gegen islamische Regeln zu verstoßen, treibt viele junge Muslime um. In einem Forum im Internet schreibt ein Schüler: "Ich bete zu Allah, dass das nicht wahr ist, sonst kann ich nämlich in der Schule nichts mehr essen."

Was der Jugendliche offenbar nicht weiß: Die meisten größeren Bäckereien haben längst auf Margarine umgestellt – aus Angst, ihre muslimische Kundschaft zu verprellen. "Vor 15 Jahren war Schweinefett das durchaus gängige Fett in der Produktion, nicht nur bei Brezen", sagt Wolfgang Erhard, Inhaber der gleichnamigen Bäckerei in Ingolstadt. Er verzichtet seit aber mehr als zehn Jahren auf Schweinefett, "weil das die türkischen Kunden so wünschten".

Dennoch trauert Erhard den alten Zeiten ein wenig nach, wenn er Schweinefett das "optimale" Fett nennt. "Es sorgt für Geschmack und hält die Breze länger frisch", weiß auch Roland Ried, Pressesprecher des Landes-Innungsverbandes für das bayerische Bäckerhandwerk. Knuspriger wird die Breze Experten zufolge allerdings mit Margarine.

Auch Heiglbeck-Inhaber Eugen Kloos hat früher Schweinefett verwendet. Auch hier gaben nicht etwa Vegetarier, sondern Muslime den Anstoß zum Umdenken. Dem Amt für Statistik zufolge leben in Bayern derzeit mindestens 300 000 von ihnen. Da lohnen sich Kompromisse. Nachfragen ist allerdings immer noch ratsam. Denn etwa ein Drittel der Kunden kauft nach wie vor Schweinefett ein, schätzt eine Mitarbeiterin des Fachgroßhandels Bäko Oberbayern Nord. Vor allem kleinere Bäckereien.