Ingolstadt
Die Blutspuren lassen viele Schlüsse zu

Im Landgerichtsprozess gegen einen mutmaßlichen Messerstecher schweigt der Angeklagte weiter

26.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:44 Uhr

Ingolstadt (DK) Er hatte den Satz mit einem „vielleicht“ versehen. „Vielleicht gibt es beim nächsten Termin eine Verteidigererklärung“, hatte der Landgerichtsvizepräsident Paul Weingartner kürzlich beim Auftakt des Prozesses gegen einen 48-jährigen mutmaßlichen Messerstecher gesagt.

Die vage Formulierung des Vorsitzendenden Richters war berechtigt. Denn die in Aussicht gestellte Erklärung des Anwalts im Namen seines Mandanten blieb gestern am zweiten Verhandlungstag aus. Der Angeklagte schweigt vor dem Ingolstädter Landgericht weiter dazu, was im November in der Asylbewerberunterkunft an der Hindenburgstraße passiert ist. „Vielleicht gibt es die Erklärung das nächste Mal“, fasste Weingartner den Stand des Verfahrens zusammen, das ihn auch an den nächsten beiden Montagen beschäftigen wird. Am 9. September soll das Urteil gegen den 48-Jährigen gesprochen werden.

Er muss sich unter anderem wegen versuchten Totschlags verantworten. Der Staatsanwalt Ingo Desing wirft ihm vor, am Abend des 22. November mit einem 14,5 Zentimer langen Messer auf einen Mitbewohner in der Gemeinschaftsunterkunft losgegangen zu sein. Das Opfer erlitt laut Anklage mehrere Schnitte im Gesicht und eine Nasenbeinfraktur. Es wäre wohl schlimmer ausgegangen, wenn nicht ein anderer Mitbewohner eingegriffen hätte. Zumindest drohte der Angreifer angeblich, er werde seinem Kontrahenten „den Kopf abschneiden“.

Ob der Angriff auch so stattgefunden hat, muss das Gericht zweifelsfrei klären. Die Blutspuren geben offenbar nur wenig Aufschluss darüber, wer den Streit begonnen hat, und wie er weiterverlaufen war. Es sei anhand der Blutspuren quasi jedes Szenario möglich, erklärte ein vom Gericht bestellter Gutachter gestern in dem Prozess. „Wir können es uns fast aussuchen“, fasste Weingartner zusammen.

Wie viel der Angeklagte selbst von jenem Übergriff noch wirklich weiß, ist fraglich. Er hatte mehr als drei Promille Alkohol im Blut, wie die Polizei in jener Nacht bei ihm feststellte. Zwei Beamte bekamen alles hautnah mit, weil sie nach der Messerstecherei selbst zum Ziel des 48-Jährigen wurden. Im Klinikum an ein Bett gefesselt, drohte er, wie die Polizisten dem Gericht sagten, er werde sie umbringen, falls sie ihn losmachen.

An den nächsten beiden Montagen setzt das Gericht die Wahrheitsfindung fort. Dann wird auch der von der Kammer bestellte Psychiater gehört, der Auskunft zur Schuldfähigkeit des 48-Jährigen geben wird.