Schrobenhausen
"Die Bauamt" mit dem Herrenrad unterwegs

27.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:44 Uhr

Der vorletzte Mann geht: Peter Walter verlässt das Stadtbauamt Ende September und winkt schon mal zum Abschied. Zurück lässt er die Frauenmannschaft (wegen der Urlaubszeit nicht vollständig versammelt) des Amtes und einen Mann . . . - Foto: Spindler

Schrobenhausen (SZ) Heiko Wenger trägt’s mit Fassung: In Kürze ist er der einzige Mann im Schrobenhausener Stadtbauamt. Dieser Umstand hat der Behörde auch schon einen Spitznamen eingebracht: "Die Bauamt". Und alle Beteiligten schwören, nur die Qualifikation sei ausschlaggebend.

"Wir haben in der Tat zwei Männer durch zwei Frauen ersetzt", denkt Schrobenhausens Bürgermeister Karlheinz Stephan laut nach. Der promovierte Chemiker an der Spitze des Rathauses will beim Blick auf das städtische Bauamt nicht von einer Auffälligkeit reden. Dafür seien ihm zwei bis drei Fälle einfach zu wenig.

Der neueste weibliche Zugang im Bauamt scheint Stephan recht zu geben. Asta Meyer, die die Nachfolge von Peter Walter beim Tiefbau antritt, sagt zum Frauen-Bauamt: "Ich finde das nicht auffällig." Es sei ihr egal, ob sie mit Frauen oder Männern zusammenarbeite.

Sicheres Pflaster für Frauen

"Die Verwaltungen werden zunehmend zur Damendomäne", macht dagegen Reinhard Scholz einen deutlichen Trend aus. Der Verwaltungsdirektor im Schrobenhausener Rathaus fügt noch hinzu: "Das ist ja eigentlich schön." Über die Gründe für diesen Trend kann Scholz nur spekulieren. "Es mag daran liegen, dass der öffentliche Dienst für die Damen attraktiver ist als für die Herren." Vor allem die zahlreichen Arbeitszeitmodelle in der öffentlichen Verwaltung seien wohl familienfreundlicher als in der freien Wirtschaft, ist Reinhard Scholz überzeugt.

"Frauen suchen das sichere Pflaster", fasst Willi Riß vom Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen den Trend etwas lockerer zusammen. Die zahlreichen Teilzeitarbeitsplätze im öffentlichen Dienst würden besonders gerne von Frauen angenommen. Das belegt Riß auch mit Zahlen. Von den 272 Beschäftigten im Landratsamt seien allein 173 Stellen durch Frauen besetzt. Das mache einen Anteil von 63,6 Prozent aus, rechnet Riß vor.

Und ein Blick in die Bausparte des Landratsamtes lässt Riß erkennen, das Schrobenhausens Bauamt kein Einzelfall sei: "Dort drängen die Frauen ganz massiv hinein, das zeigt sich auch an den Ausschreibungen." So herrsche im Kreistiefbauamt noch mit 7:7 Stellen unter Männern und Frauen ein Unentschieden. Im Hochbauamt dagegen, so Riß, sehe es schon anders aus: Elf Frauen stünden dort lediglich fünf Männern gegenüber.

Geänderte Rollenbilder

"Es ist nicht so ein typischer Mädchenberuf", sagt Corinna Wierick über ihre Berufswahl und steigt auf das einzige Dienstfahrrad des Stadtbauamtes – übrigens ein Herrenrad. Für die Architektin in städtischen Diensten ist das Radl das einzige, was den Unterschied bei der Arbeit im hiesigen Amt deutlich mache: "Da spielt die Qualifikation eine Rolle."

"Es muss gelingen, Frauen verstärkt für technische Fächer zu interessierten", denkt Stefan Reindl an die Zukunft – nicht nur des Unternehmens, in dem er als Personalchef verantwortlich zeichnet. Für den Schrobenhausener Bauriesen Bauer AG sichtet Reindl mit seinen Mitarbeitern nicht nur die eingehenden Bewerbungen, sondern hat auch ein Auge auf den Markt allgemein. Seit der Wiedervereinigung sei der Anteil von Studienanfängerinnen in den Fächern Architektur und Bauingenieurwesen von 20 auf rund 27 Prozent gestiegen.

"Ich glaube, die Rollenbilder haben sich geändert", meint Reindl. Darum sei die Tendenz von Frauen in technischen Berufen auch steigend. Und diesen Trend dürfe die freie Wirtschaft nicht verschlafen, darum unterstütze die Bauer AG verschiedene Programme wie die bundesweite MINT-Initiative oder "mentorING" an der TU München. Reindl: "Wir können es uns nicht mehr leisten, gut ausgebildete Frauen zu Hause sitzen zu lassen."

Der Quotenmann

"Die Bauamt" – diesen Spitznamen hat der deutliche Frauenüberschuss der Behörde in Schrobenhausen bereits eingebracht. "Ich find’s okay", sagt Heiko Wenger, der bald einzige Mann im Bauamt, über die Besetzung der Dienstposten. "Ich kann mich nicht beklagen", fügt Wenger noch über das Miteinander hinzu. Und über seine Kolleginnen sagt er: "Die sind alle ganz nett."

"Wir werden ihn in einer Sänfte tragen", lacht Wierick mit ihrem leichten Berliner Dialekt. Ihre Kollegin Claudia Swierczek setzt hinzu: "Wir sind hier mit unseren Männern immer gut ausgekommen." "Ich stelle fest, dass das Klima da drüben sehr gut ist", blickt Scholz auf das damendominierte Waaghaus. Da will Swierczek nicht widersprechen, doch der hohe Frauenanteil hat wohl auch aus weiblicher Sicht so seine Nachteile: "Ich denke, ein guter Ausgleich Männer / Frauen ist nicht schlecht . . ." Das nimmt Wenger mit Humor: "Ich bin der Quotenmann im Bauamt."