Ingolstadt
"Die Arbeit wird den Gewerkschaften nicht ausgehen"

In Ingolstadt wird in dieser Woche gestreikt, auch wenn die Situation hier besser scheint als woanders

02.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:32 Uhr

Kämpferisch: Der neue DGB-Regionsvorsitzende Bernhard Stiedl.

Ingolstadt (DK) Bernhard Stiedl (Foto) ist Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt und Nachfolger von Karl-Heinz Katzki im Amt des DGB-Regionsvorsitzenden. Am Rande der Maikundgebung traf er unseren Redakteur Johannes Hauser.

Wie zufrieden sind sie mit dem 1. Mai in Ingolstadt?

Bernhard Stiedl: Sehr zufrieden. Wir haben mit rund 1200 Teilnehmern seit Längerem wieder eine kräftige Maikundgebung gehabt. Ich denke, auch die Reden waren sehr gut.

Die Kundgebung ist nicht der einzige Beitrag Ingolstadts zu den aktuellen Tarifverhandlungen. Es wird auch hier Streiks geben. Was können Sie dazu jetzt schon sagen?

Stiedl: Wir werden in der ersten Woche in Ingolstadt rund 8000 Kolleginnen und Kollegen zum Streik aufrufen. Wenn die Arbeitgeber nicht zur Vernunft kommen und ein Angebot vorlegen, werden wir diese Warnstreiks auch in die nächste Woche ausweiten.

Manche haben heute gesagt, Ingolstadt sei eine Modellregion. Viele Forderungen der Gewerkschaften seien hier auf Betriebsebene schon erfüllt. Warum dennoch streiken?

Stiedl: Zunächst ist das Solidarität innerhalb der IG Metall. Wir schauen nicht nur auf die, die schon etwas haben, sondern wir wollen uns auch für die Kollegen einsetzen, die nicht in festen Tarifverträgen sind und deswegen nicht von allen Leistungen profitieren – etwa die Leiharbeiter. Sie sollen das gleiche Entgelt bekommen. Aber in der Tat, wir sind eine Modellregion. Wir haben hohe Mitbestimmungen in den Betrieben. Diese Regelungen können als Beispiel für andere dienen. Auch, weil wir damit erfolgreich sind. Wir haben starke Betriebe wie Audi und Cassidian, die gute Gewinne machen. Insofern kann die Mitbestimmung und die Beteiligung der Arbeitnehmer nicht so schlecht sein.

Heißt das, Sie haben in Ingolstadt alles erreicht?

Stiedl: Alles natürlich nicht. Es gilt, immer neue Antworten zu finden. Die Arbeitswelt verändert sich. Leiharbeit war vor zehn, 15 Jahren noch nicht das Thema, das sie jetzt ist. Die Arbeit wird den Gewerkschaften nicht ausgehen.

Wenn die Situation so positiv ist, wie wirkt sich das auf die Mitgliedszahlen bei den Gewerkschaften aus?

Stiedl: In Regionen, in denen die Wirtschaft brummt und es hohe Einkommen gibt, erkennen die Menschen den Anteil, den die Gewerkschaften an der Situation haben, an und werden Mitglied. Allein in der IG Metall Ingolstadt haben wir derzeit über 43 000 Mitglieder. So viel wie noch nie zuvor. In der Region sind fast 60 000 Menschen in einer DGB-Gewerkschaft organisiert. Andererseits gibt es Beschäftigte in Unternehmen ohne Betriebsrat, wo es keine Gewerkschaft gibt, die ihre Interessen vertritt und die Ende des Monats schauen müssen, wie sie über die Runden kommen oder die Klassenfahrt ihre Kinder finanzieren können. Das ist auch Realität in Ingolstadt.

Am 1. Juli wird mit dem Ausscheiden von Karl-Heinz Katzki ihr Wechsel in das Amt des Bezirksvorsitzenden vollzogen. Was haben Sie sich vorgenommen?

Stiedl: Ich will daran arbeiten, dass die Region erfolgreich bleibt. Das heißt auch, mit der Kommunalpolitik gut zusammenzuarbeiten und unsere Ideen, die wir als Gewerkschaften haben, einzubringen. Das ist eine Win-Win-Situation für alle: Für die Politik, weil sie eine vernünftige Politik macht, für die Arbeitgeber, weil sie erfolgreiche Unternehmen haben und für die Arbeitnehmer, weil sie vernünftige Einkommen haben. Ich denke, das ist eine gute Zielrichtung, damit Ingolstadt weiter vorne bleibt.