Ingolstadt
Die Ampel-Koalition

Stadt und Audi stellen Technik vor, mit der Autofahrer entspannter durch den Verkehr kommen sollen

14.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:27 Uhr
Verkehr auf der Manchinger Straße: Der Fahrer, in diesem Fall Oberbürgermeister Christian Lösel bei einer Testfahrt gestern in einem Audi e-tron, weiß dank der "Ampelinformation" des Konzerns schon früh, dass er bei Grün über die Ampel kommen wird - oder eben nicht: Im unteren Bild sieht man den Fall, dass die Ampel rot sein wird, und zwar neun Sekunden lang. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Der Traum von der Grünen Welle ist so alt wie die Ingolstädter Verkehrsproblematik - und bis heute hat sich weder das eine erfüllt noch das andere lösen lassen.

Auch mit dem gestern vorgestellten Audi-Dienst mit dem schnöden Namen "Ampelinformation" wird sich daran nichts ändern. Allerdings sollen zumindest (vorerst nur) Audi-Kunden dank der Kooperation des Unternehmens mit der Stadt entspannter durch den Verkehr gleiten können - weil ihnen ihr Auto sagt, wie schnell sie fahren müssen, um die nächste Grünphase zu erwischen, und wie lange sie bei Rot stehen müssen. Das Projekt ist in Europa derzeit einzigartig.

Von den 160 Kreuzungen im Stadtgebiet sind inzwischen 110 umgerüstet, bis 2022 soll der Umbau komplett sein. "Wir würden die Stadt lahmlegen, wenn wir alles auf einmal machen würden", sagte Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle gestern bei der Präsentation im Alten Rathaus. Denn je nach Komplexität der Umrüstung muss manche Kreuzung auch für mehrere Tage abgeschaltet werden. Ziel ist, alle Ampeln mit dem städtischen Zentralrechner zu vernetzen, von dem dann wiederum Audi und in einem späteren Schritt auch alle anderen Interessierten - neben Automobilkonzernen könnten das auch Software- und App-Entwickler sein - die Ampelzustandsdaten abgreifen können. Die Stadt verspricht sich davon die Entwicklung neuer Technologien, zufriedenere Verkehrsteilnehmer und mehr Umweltschutz: Wer weniger unnötig abbremsen und beschleunigen muss, so der Gedanke, produziert weniger Schadstoffe. Außerdem übermittelt Audi auch wieder einen Teil der gewonnenen Daten an die Stadt, damit diese die Infrastruktur, unter anderem die Ampelschaltungen, verbessern kann.

"Das ist ein Vorreiter-Projekt, das die Innovationskraft von Ingolstadt demonstriert", sagte der neue Audi-Werkleiter Achim Heinfling, der auch die gute Zusammenarbeit mit der Stadt bei der Entwicklung lobte. Seit Mitte Juli kann das System genutzt werden. Alle seit diesem Zeitpunkt verkauften A4, A5, A6, A7, A8, Q3 und e-tron, deren Fahrer das Paket "Audi connect Navigation & Infotainment" sowie die kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung an Bord haben, können die Technik nutzen.

In Las Vegas startete Audi das Projekt in Serienfahrzeugen 2016. Inzwischen kann der Konzern durch das System über 7000 Kreuzungen in den USA ansteuern. In Europa habe die Einführung bis jetzt gedauert, da die städtische Infrastruktur hier viel heterogener sei als in den Staaten, erklärte Peter Steiner, Geschäftsführer der zuständigen Audi Electronics Venture GmbH. Bald sollen weitere Städte in Europa folgen. Die Ampelinformation versteht der Konzern dabei nur als ersten Schritt "hin zu einem sichereren intelligenten Verkehrssystem", sagte Steiner. All die gewonnenen Daten könnten irgendwann für das autonome Fahren verwendet werden.

Bei einer Testfahrt durch die Stadt im Anschluss, an der auch Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) teilnahm, zeigte sich, dass sich bei der von der Fahrzeugelektronik vorgeschlagenen Fahrweise die Halte durchaus reduzieren lassen. Dass während Rotphasen ein Countdown im Auto herunterzählte, hatte eine beruhigende Wirkung. Christoph Rucker von der Technischen Entwicklung bei Audi, der während der Fahrt das System erklärte, sagte: "Ich freue mich inzwischen, wenn die Ampel Rot zeigt. " Als die Fahrt, die unter anderem über die Schlosslände, die Westliche Ringstraße und die Manchinger Straße führte, am Rathausplatz wieder endete, sagte Lösel begeistert: "Das ist ein ruhigeres Fahren. " Doch auch der OB musste auf seiner Fahrt die Grenzen des Systems kennenlernen: Mit Tempo 50 könne er die Ampel noch passieren, zeigte ihm das Auto kurz vor der Kreuzung Münchener Straße/Südliche Ringstraße an. Allerdings befanden sich zwischen ihm und der Ampel doch noch ein paar Fahrzeuge. Und als die die Ampel überquert hatten, war für Lösels Gefährt doch schon Rot.

Thorsten Stark