Ingolstadt
Die Absurdität des Daseins

Ingolstädter Altstadttheater eröffnet mit "Warten auf Karl"

28.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:07 Uhr

Adelheid Bräu ist wieder in Ingolstadt: Im Altstadttheater spielt sie ein Valentin-Solo unter der Regie von Falco Blome. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Dunkel. Auf der kleinen Bühne vor rotem Vorhang zwei einsame Stühle. Gespannte Stille. Nichts passiert. Dann plötzlich eine laute Stimme aus dem Zuschauerraum: "I hob glei gsagt, des ziagt si." Irgendwo zwischen den Besuchern muss sie sitzen. Adelheid Bräu. Die diesen Abend alleine stemmen wird. Als Karl Valentin. Als Liesl Karlstadt. Und in all den komischen Rollen und aberwitzigen Denkverwirrspielen, die das Duo so unvergleichlich auf die Bühne gebracht hat.

Eröffnungsabend im Altstadttheater unter neuer Leitung. Adelheid Bräu schiebt sich im Dunkeln durch die Reihen. Lässt Zuschauer aufstehen. Probiert Plätze und den Blick zur Bühne. "Da war's scho besser." Entscheidet sich schließlich für den rechten Stuhl auf der Bühne. Setzt sich. "Der is günstig." Überlegt kurz. "Ich weiß nicht, war's gestern oder im vierten Stock" - und ist mitten drin in Valentins verquerem Raum-Zeit-Chaos. "Der Theaterbesuch", "Aquarium", "Der Ententraum", "Der verhexte Scheinwerfer" und andere Texte werden folgen. Szenen, in denen genüsslich und aufs Komischste Logik- und Sprachsabotage betrieben wird. Und immer wieder wird ein Schuss fallen, dann hört man aufgeregtes Geflatter, Briefe fallen aus dem Bühnenhimmel. Und mitunter fällt nicht nur eine einzelne Feder mit, sondern eine ganze tote Taube. Im Kühlschrank steht eine Tupperdose von Briefen. Solchen mit Gedichten, mit Verfügungen, mit Biografischem, solche über die Unmöglichkeit des Schreibens oder neues Sprachillusionstheater. Köstlich, absurd und stets überraschend sind die einzelnen Nummern miteinander verbunden in diesem Valentin-Solo, das Falco Blome aus dem reichen Schaffen des legendären Münchner Umstandskrämers zusammengestellt hat. "Warten auf Karl" ist der Abend überschrieben, denn der zweite Stuhl bleibt leer.

Weil der Bühnenpartner nicht kommt - das ist die theatrale Setzung -, muss Adelheid Bräu alles allein übernehmen. Das macht sie mit vollem Körpereinsatz und kühnem Witz. Köstlich ist das, wie sie sich in Valentins exakt strukturierten, aber strategielosen Darlegungen verheddert. Wie sie vom gschert Bairischen ins überdeutlich Hochsprachliche artikuliert. Wie sie die Rollen wechselt. Wie sie sich in wortreicher Unbeholfenheit - Valentin-Figuren sind ja meist übereifrige Redner - in Valentin-Verrücktheiten ergeht. Ein einziges, großes, widersprüchliches Missverstehen - mit pausenlosen 90 Minuten bisweilen zu lang geraten, aber gleichwohl amüsant.

Regisseur Blome bietet ihr dafür eine bizarre Bühne. Denn er hat Valentins schrägen Humor nicht einfach kopiert, sondern übersetzt, zeigt die Absurdität auf andere irritierende Weise. Hinter dem roten Vorhang hat er eine Installation aus Kühlschrank, Radio, umpuschelten Eselautomat bauen lassen (Ausstattung: Christina Huener), die vielseitig frappant genutzt werden kann. Aber eigentlich beginnt die Inszenierung schon im Foyer, wo man einen Blick auf ein kleines valentineskes Kuriositätenkabinett erhaschen kann. Dafür gab's am Ende viel Applaus und Blumen für alle Beteiligten.

Termine: 5. und 19. November, 3., 17. und 29. Dezember, 21. und 29. Januar, jeweils um 20.30 Uhr. Silvester um 18 und 21 Uhr. Karten in allen DK-Geschäftsstellen.