Neuburg
Dichte und Intensität

Martin Wind und das Blue Light Quartet geben ein einzigartiges Konzert im Neuburger Birdland

28.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:48 Uhr
Der Kontrabassist Martin Wind gehört als einer der ganz wenigen Deutschen zum Establishment der New Yorker Jazz-Szene. Anat Cohen (links) ist Teil seines Blue Light Quartets. −Foto: Leitner

Neuburg (DK) Es gibt Konzerte, bei denen wird die Distanz zwischen den Musikern und dem Publikum komplett aufgehoben.

Ist das der Fall - wie beim Gastspiels des Blue Light Quartets von Martin Wind im Neuburger Birdland -, ergeben sich Momente, die an Dichte und Intensität wohl kaum zu überbieten sind. Das spürt man nicht nur emotional, sondern auch körperlich. Wohlige Schauer durchrieseln einen und lustvolles Kribbeln stellt sich ein, wenn sich perfekt gespielte Kompositionen in ebenso perfektem Sound wellengleich über einen ergießen und die Musik einen regelrecht anspringt.

An diesem Abend im Birdland ist das über weite Strecken so. Was an dem in Flensburg geborenen und seit langem in den USA lebenden Bassisten und Bandleader Martin Wind liegt und dessen unvergleichlichen Kompositionen zwischen Modern und Mainstream, aber auch an dieser Traumband, die er mit nach Neuburg gebracht hat. Schlagzeuger Matt Wilson und seine elastischen und auch in den intimeren Stücken noch immer ungemein druckvollen Grooves, dann Pianist Gary Versace, ein vorzüglicher Teamplayer und ein exzellenter Solist mit überaus geschmackvoll eingepassten Beiträgen und schließlich Anat Cohen aus Tel Aviv an der Klarinette und am Tenorsaxofon, bei der technische Fertigkeiten und Leidenschaft augenfällig Hand in Hand gehen.

Jeder für sich ist ein großartiger Individualist und Einzelkönner, in diesem Quartett jedoch werden vier zu einer echten "Band", verschmelzen zu einer Einheit. Wie sie sich die Bälle zuwerfen, einer die Idee des anderen sofort weiterführt, ein dritter sich einmischt, bevor auch noch der vierte seine Meinung beisteuert, das muss man erst einmal gesehen und vor allem gehört haben.

Und alle haben sichtbar ihren Spaß dabei, Musiker und Publikum gleichermaßen, was immer wieder zu heftigem Szenenapplaus führt, ganz gleich, ob die Band eine der Eigenkompositionen Winds spielt, wie etwa "While I'm Still Here" oder den transparenten, lichtdurchfluteten "Cruise Blues", ob sie sich mit "Rainy River" dem Genre der Filmsoundtracks zuwendet oder mit dem wunderschönen "Early Morning Blues" einen Trip nach New Orleans unternimmt.

Was immer gerade ansteht, eines ist offensichtlich: Diese vier Kollegen auf der Bühne genießen den Moment, die warmherzige Atmosphäre im Birdland, und auch das Publikum ist begeistert von diesen Stücken aus der Feder Winds, die immer spannend sind und doch so vertraut, dass man meint, es wären Standards aus dem allgemeinen Jazzkanon. Ja, wer diesen Termin mit dem Blue Light Quartet nicht wahrnehmen konnte, der hat wahrlich etwas versäumt. Nur gut, dass der Bayerische Rundfunk die gut zwei Stunden im Rahmen des "Birdland Radio Jazz Festivals" mitgeschnitten hat. Die Einzigartigkeit dieses Ereignisses dürfte für den Hörer sogar via Umweg übers Radio spürbar werden.

Karl Leitner