Ingolstadt
Dialog statt Strafe

Seit zehn Jahren kümmert sich das Projekt "Fallschirm" um junge Straftäter

30.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:24 Uhr

Ingolstadt (DK) Mehr als 850 bearbeitete Fälle und fast 100 sich ehrenamtlich engagierende Schüler in zehn Jahren – das Projekt „Fallschirm“ ist eine Erfolgsgeschichte. Zum Jubiläum trafen sich Verantwortliche mit derzeitigen sowie ehemaligen Mitarbeitern zu einem Erfahrungsaustausch.

Auf die schiefe Bahn gerät man manchmal schneller, als einem lieb sein kann. Die Jugendlichen, derer sich der Verein Jugendhilfe Region 10 mit seinem Projekt „Fallschirm“ annimmt, sind kurz davor, auf eben jene falsche Spur zu geraten. „Sie sind noch nicht auf der schiefen Bahn, sondern haben lediglich eine falsche Richtung eingeschlagen“, sagt die Vorsitzende des Vereins Jugendhilfe, Derya Basal. „Wir versuchen, sie wieder auf den rechten Weg zu führen.“

In dem Projekt, das in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert, engagieren sich Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren ehrenamtlich und betreuen Gleichaltrige, die das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Meistens handelt es sich um sogenannte Einstiegsdelikte wie Fahren ohne Führerschein oder Diebstahl. „Anders als Parallelprojekte versuchen wir allerdings auch Fälle aus der mittleren Kriminalität und Zweittäter dem Projekt anzuvertrauen“, erklärt der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter, dem der „Fallschirm“ nach eigenen Worten sehr am Herzen liegt.

Eine völlig neue Kategorie von zu bearbeitenden Delikten ist in den vergangenen Jahren durch das Internet und die sozialen Medien entstanden. „Dies sind natürlich neue Konfliktfelder, auf denen die erste Generation der sich hier engagierenden Schüler nicht zu kämpfen hatte“, berichtet Christine Metzger, die als Sozialpädagogin das Projekt mitbetreut. „Hier ist eindeutig ein Strukturwandel erkennbar“, bestätigt auch Oberstaatsanwalt Walter.

Statt einem Richter vorgeführt zu werden, übermittelt der zuständige Staatsanwalt die geständigen Jugendlichen dem Projekt „Fallschirm“. Nach einem Erstgespräch mit einem der Jugendlichen des Teams bilden die Schüler dann ein Gremium, das aus drei Jugendlichen besteht und über die Sanktionierung des Jugendlichen berät. Hierbei wird darauf geachtet, dass die Maßnahme zur Persönlichkeitsentwicklung des Täters beiträgt. Außerdem bleibt den geständigen und einsichtigen Jugendlichen so ein Eintrag ins Strafregister erspart.

Großer Wert wird beim Projekt auch darauf gelegt, dass das Wort „Strafe“ vermieden wird. Vielmehr soll ein Dialog zwischen den beiden Parteien stattfinden. „Für die jugendlichen Straftäter ist der Dialog mit Gleichaltrigen meistens hilfreicher als eine Sanktionierung durch einen Richter, weil man sich mit Gleichaltrigen eher auf Augenhöhe begegnet“, berichtet Christine Metzger.

Doch nicht nur die straffällig gewordenen Jugendlichen profitieren von dem Angebot des Vereins Jugendhilfe, auch für die Jugendlichen, die sich im Rahmen des Projektes ehrenamtlich engagieren, bringt die Arbeit eine positive Erfahrung mit. „Viele der Schüler, die bei uns mitarbeiten, machen auch persönlich einen großen Schritt in der Zeit, in der sie bei uns sind“, sagt Christine Metzger.

Nicola, der seit 2010 beim Projekt „Fallschirm“ mitarbeitet, hat viel durch die Arbeit mit den Gleichaltrigen gelernt. „Sich in einen Menschen, den man vorher noch nie gesehen hat, hineinzuversetzen, hilft einem sehr bei der persönlichen und sozialen Entwicklung.“ Daher sei das Projekt auch sehr gut für die eigene Persönlichkeit.