Eichstätt
"Deutschland ist der große Verlierer der EZB-Politik"

Warnende Worte des Ökonomen Hans-Werner Sinn beim Dies Oeconomicus an der Katholischen Universität

16.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:03 Uhr

Zahlreiche Studenten und Vertreter des öffentlichen Lebens waren zu Sinns Vortrag gekommen, darunter OB Christian Lösel und KU-Vizepräsident Markus Eham (3. von 4. von links). - Foto: Hammer

Eichstätt (peh) "Jede Blase platzt", sagte der frühere Leiter des bekannten Münchener Ifo-Instituts beim Dies Oeconomicus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). In seinem Vortrag über die wirtschaftliche Lage in Deutschland warnte Professor Hans-Werner Sinn vor einem Zerreißen der Immobilienblase, die sich nach Ansicht des Ökonomen seit 2010 aufbläht.

Als Indikator nannte er die Steigerung der Immobilienpreise in deutschen Großstädten um bis zu 50 Prozent.

"Der Brexit ist für Deutschland verheerend", erklärte Sinn. Der Grund: Die am Export und daher am Freihandel orientierten Länder wie Deutschland oder die Beneluxstaaten verlören nach dem Ausscheiden Großbritanniens ihre Sperrminorität. Das Inselreich habe 17 Prozent der Bruttoinlandsprodukts der EU beigesteuert (Deutschland ein Fünftel) und damit so viel wie die 20 kleinsten EU-Staaten zusammen. Anhänger von Schutzzöllen könnten die EU dominieren.

Während in Deutschland sowohl Export als auch Binnenkonjunktur sehr gut liefen, leide Südeuropa unter hohen Arbeitslosenquoten, vor allem bei Jugendlichen. Dort werde auch von den Notenbanken Geld im Übermaß gedruckt ("entgrenzte EZB"), das sich in Deutschland sammle. Die niedrigen, teils sogar negativen Zinsen führen laut Sinn zu einer Bargeldhortung: Selbst in alten Stollen werden schon Millionen deponiert. Nach Sinns Einschätzung sind die südeuropäischen Länder im internationalen Wettbewerb praktisch hoffnungslos, was bei der geplanten Fiskalunion in der EU zu einer riesigen Umverteilung der Gelder führen werde. "Deutschland ist der große Verlierer der EZB-Politik", lautet sein Resümee: Zinspolitik, Dauertransfer und die Rettungsarchitektur seien dafür verantwortlich. Sinn will aber trotzdem am Euro und der EU festhalten, allerdings unter anderen Vorzeichen: Die Verträge müssten jetzt geändert werden.

Grußworte beim Dies Oeconomicus hatten unter anderem Dekan Max Ringlstetter und der Vizepräsident der KU, Markus Eham, gehalten. OB Christian Lösel, der selber an der WFI studiert hat, kritisierte die Zinspolitik der EZB, die allein für die Ingolstädter Sparer Verluste von überschlägig 100 Millionen Euro im Jahr bedeute. Die Stadt habe trotz der VW-Krise ihre Investitionen nicht gebremst und werde in den nächsten zehn Jahren 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro investieren.