KOMMENTAR
Deutsche Brille bitte mal absetzen!

10.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:46 Uhr

Was die Mehrheit der Fußballfans hierzulande von der Nations League hält, hat der Trainer des FC Liverpool wohl am treffendsten zusammengefasst: "Die Nations League ist der sinnloseste Wettbewerb der Welt", sagte Jürgen Klopp.

Aus deutscher Sicht mag diese Haltung nachvollziehbar sein - für die Nationalmannschaft, die sich seit 1968 für jedes große Turnier qualifiziert hat, sind Europa- und Weltmeisterschaften die Höhepunkte im Fußball-Kalender. Wer braucht da einen weiteren Wettbewerb, zumal einen mit solch kompliziertem Modus? Und wer freut sich über die zusätzliche Belastung für die besten Profis?

Setzt man die deutsche Brille jedoch ab, stellen sich die Dinge schon differenzierter dar. Aus Sicht der kleineren Verbände, die genau wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Mitglieder der Europäischen Fußball-Union Uefa sind, bietet die Nations League ganz neue Perspektiven. Anstatt sich in einer EM-Qualifikationsgruppe schier übermächtigen Kontrahenten stellen zu müssen, hält der neue Wettbewerb auch für die "Kleinen" ausschließlich Duelle in derselben Gewichtsklasse bereit - mehr Spannung ist somit garantiert. Am wichtigsten jedoch: Dank der Nations League besitzen fast alle der 55 europäischen Nationalteams eine realistische Chance auf die EM-Teilnahme.

Die Uefa, die sich laut Statuten als "Vertretung der ganzen europäischen Fussballfamilie" sieht, erfüllt damit ein zentrales Anliegen ihrer - im Gegensatz zu Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien - nicht so erfolgreichen Mitglieder. Dass sich die Nations League zudem einträglicher vermarkten lässt als langweilige Testkicks ohne jegliche Bedeutung, ist dabei sicher mehr als ein netter Nebeneffekt.