Berlin
"Desaster mit Ansage"

Stuttgart 21, Güterverkehr, Verspätungen: Bei der Bahn häufen sich die Hiobsbotschaften

15.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:40 Uhr

Berlin (DK) Bahn-Chef Rüdiger Grube liebt Erfolgsmeldungen. Doch zurzeit jagt eine Hiobsbotschaft die andere. Der Rückzug von Konzern-Vize Volker Kefer, dem Versäumnisse beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 angelastet werden, ist nun der vorläufige Höhepunkt einer Serie von Negativnachrichten.

Schlechte Pünktlichkeitswerte, Ärger wegen Streckensperrungen und Verspätungen, Verluste bei wichtigen Konzerntöchtern wie der Güterbahn DB Cargo oder im Regionalverkehr - im Aufsichtsrat des Konzerns herrscht erhebliche Unruhe, stößt die Strategie des Bahn-Chefs auf Kritik. Gestern traf sich das Kontrollgremium in Berlin - zur Standortbestimmung einen Tag nach Kefers Rückzugsankündigung. Dabei gab es mit den Gewerkschaften zumindest eine Einigung über das Vorgehen bei den geplanten Einschnitten im Güterverkehr.

Grube hatte den 60-Jährigen eigentlich als seinen Quasi-Kronprinzen installiert, als Vizechef des Konzerns mit Zuständigkeit für die Infrastruktur, das große Sanierungsprogramm und auch das Projekt Stuttgart 21. Nun will Kefer sich nicht mehr um eine Verlängerung seines 2017 auslaufenden Vertrages bewerben, so die offizielle Sprachregelung. Längst ist die Nachfolgersuche im Gange. Kefers Amtsführung hatte zu scharfer Kritik im Aufsichtsrat geführt. Am weitesten wagte sich Alexander Kirchner vor, Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft EVG und Vizechef des Kontrollgremiums. Vor drei Monaten sei angeblich "noch alles in Ordnung" gewesen, dann seien plötzlich Mehrkosten von 600 Millionen Euro für Stuttgart 21 eingeräumt worden, schimpfte Kirchner über Kefer.

Es sei ein "Desaster mit Ansage" gewesen, heißt es auch aus der grün-schwarzen Landesregierung in Stuttgart. Immerhin ist der Finanzpuffer für das Projekt fast aufgebraucht, das erst 2023 fertig werden soll und damit zwei Jahre später als geplant. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärte, die Verantwortung liege bei der Bahn-Führung, beim Aufsichtsrat und bei der Bundesregierung, die sich vor drei Jahren trotz des drastischen Anstiegs der Kosten um zwei Milliarden Euro dafür entschieden hätten, weiterzubauen. "Es reicht aus meiner Sicht auch nicht, Führungspersonen auszutauschen", so Hermann weiter. Klar sei, dass die Projektpartner die Kosten, die über die vertraglich vereinbarte Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro hinausgehen würden, nicht übernehmen könnten. Das Land Baden-Württemberg werde bis zu 930 Millionen Euro zahlen und keinen Cent mehr. Nach Informationen unserer Berliner Redaktion ist das Bundesverkehrsministerium nicht gewillt, den Finanzierungsanteil des Bundes von rund einer Milliarde Euro zu erhöhen. Eine Einigung scheint nicht in Sicht. Stuttgart 21 wird jetzt nach Kefers Rückzugsankündigung zum Problem des Bahn-Chefs, der längst unter verschärfter Beobachtung steht: Grubes Vertrag läuft Ende 2017 aus.

In einem Punkt gelang es, Konflikte zu entschärfen - im Streit um die Zukunft des Güterverkehrs. Ursprünglich hatte die Konzernführung den Abbau von 2100 Stellen in diesem Bereich vorgesehen sowie die Schließung von 215 kleinen Stationen. In einem nun verabschiedeten Papier ist keine konkrete Zahl für den Stellenabbau mehr enthalten und es sollen "weniger als 200 Güterverkehrsstellen" abgebaut werden. Den Wegfall von Jobs wird es nun nur im Schulterschluss mit der EVG geben, heißt es. Kürzlich erst waren Gewerkschaftsvertreter vor die Konzernzentrale gezogen und hatten lautstark gegen die Pläne demonstriert.

Grube muss nun erklären, wie er seine Sanierungsziele für DB Cargo dennoch erreichen will. Bei näherem Hinsehen ist dies aber nur eine von vielen Baustellen für den Bahn-Chef.