Schrobenhausen
Der Weg zum Glück ist das Ziel

"Auszeit": Groß besetztes Pavillonkonzert auf neuem (Jakobs-) Pfad

23.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Schrobenhausen (SZ) Die Reihe der Pavillonkonzerte ist eröffnet: Symphonische Ausmaße ohne Symphonie: Die Pavillonkonzerte und 50 Mitwirkende präsentierten ein Werk von Walter Kiesbauer, dem langjährigen musikalischen Leiter am Stadttheater Ingolstadt.

"The same procedure as every year", konnte Musikreferent Klaus Englert das Publikum zu Beginn der nunmehr 27. Saison der Schrobenhausener Pavillonkonzerte willkommen heißen und gleichzeitig Musikschulleiter Rainer Maier als dem für das Programm verantwortlichen "Tausendsassa" den städtischen Dank aussprechen.

Wie sich gleich erweisen sollte, bleibt in der bewährt "gleichen Prozedur" der Reihe durchaus Raum für Abwechslung: Der Rahmen beschränkt sich nicht auf Klavierabende oder stillvergnügte Streichquartette, auch Lesungen mit Musik sind möglich oder wie am Samstag gar ein szenisches Konzert, bei dem die Bühne mit Müh' und Not für alle Mitwirkenden, über 30 Instrumentalisten, fast 20 Sänger und zwei "musikalische Darsteller" ausreichte.

"Auszeit" nennt Komponist Walter Kiesbauer sein gemeinsam mit Kai Wolters (ursprünglich für das Landestheater Neuss konzipiertes) Werk, das abwechslungsreich-unterhaltsam die menschliche Suche nach Freiheit und Glück behandelt.

Die Protagonisten der "Auszeit" gehen auf ihrer jeweiligen Suche den Jakobsweg, so dass symbolhaft, aber unaufdringlich das alte Bild der Pilgerreise als der Lebensreise im Raum steht. Zwei treffliche Schauspieler (und Sänger), Franziska Ball und Ansgar Schäfer, stellen dazu in ständigem Wechsel sechs unterschiedliche "Personen" oder eher typisierte Lebensentwürfe dar, vom stressgeplagten Manager über das esoterische Blumen- und Naturkind oder das auseinandergelebte Lehrerpaar. Durch einfache Kostümwechsel und prägnante Unterschiede in Gestik und Sprechweise schaffen Ball und Schäfer - trotz engem Spielraum auf der Bühne - plastische Figuren, ja fast überplastisch, wenn sich Schäfer als Möchtegern-Frauenheld Jimmy, eine schwitzende "Urgewalt", auf die Damen im Publikum stürzt.

Die Schlusswendung ins Religiöse mit Gottesdienst in Barcelona kommt nach vielen ironischen Brechungen (wenn etwa auf einen modernen Tanzbären-Rap unmittelbar der idyllische Natur-Lobpreis auf den "Wiedehopf mit seinem feuerroten Schopf" folgte) wieder ernsthafter zu der zwar populärwissenschaftlichen, aber darum nicht unzutreffenden Erkenntnis, das ganze Leben sei eine immer weitergehende Reise und der Weg das Ziel.

Kein Liederabend, kein Oratorium und auch kein Theater mit Begleitmusik - eine ganz eigene Gattung hat sich Walter Kiesbauer mit seinen "szenischen Konzerten" einfallen lassen: Musik und Darstellung sind gleichberechtigt; vom unbegleiteten Dialog bis zum Melodram, über die Pantomime bis zum Duett mit Chor finden fast alle denkbaren Formen dankbare Verwendung. Kiesbauer versteht es bestens, als langjährig erfahrener Theaterpraktiker eine so eindrucks- wie ausdrucksvolle Musik zu den verschiedensten Reisestationen zu liefern, Stimmungsmusik im besten Sinn, die aus vielen Quellen schöpft: Rauschende Musicalfülle trifft auf einen Konzertwalzer mit Mahler-Anklängen, Franz Schuberts Wanderer wechselt mit barocker Choralstrenge oder einer Gewittermusik wie aus dem schönsten Bergfilm; überhaupt sind Filmmusikanklänge zur Stimmungsmalerei nicht verboten, im groß besetzten Orchester kommt dabei nicht zuletzt der Harfe eine hervorragende Rolle zu. Und der (insofern gar nicht antike) Chor kommentiert das Geschehen im jugendtauglich-rhythmisierten Sprechgesang.

Walter Kiesbauer spornt am Dirigentenpult das aus Profis und Laien zusammengesetzte Projektensemble zu einer sehr achtbaren, konzentrierten Aufführung an, bei der entgegen dem Titel niemand im Saal eine "Auszeit" nimmt. Am Ende im maximal besetzten Pavillon wenig Sauerstoff, aber viel Applaus.