Nürnberg
"Der Weg ist das Ziel"

Wissenschaftler suchen nach dem Nutzen der Serie "Star Trek" für die Menschheit

15.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:57 Uhr |

Bereit zum Beamen: Das Raumschiff Enterprise aus der Serie "Star Trek" stellt für Medienwissenschaftler Sebastian Stoppe einen abgeschlossenen Organismus dar, den er als Modellgesellschaft im Weltraum beschreibt. - Foto: Imago

Nürnberg (DK) Neue Welten - "Star Trek" als humanistische Utopie? Dieser Frage geht an diesem Wochenende in Nürnberg der bayerische Landesverband des Humanistisches Verbandes Deutschland auf einer Tagung nach. Im Kopernikus-Planetarium wird auch der promovierte Medienwissenschaftler Sebastian Stoppe von der Uni Leipzig am Samstag einen Vortrag halten. Stoppe hat sich in seiner 2014 vorgelegten Doktorarbeit explizit mit der Raumschiff-Saga als Schauplatz einer politischen Utopie auseinandergesetzt. Wir haben im Vorfeld des Kongresses mit dem 38-Jährigen darüber gesprochen, ob und was wir vom Leben auf der Enterprise lernen können.

 

Herr Stoppe, ist die Welt noch zu retten, wenn wir uns schon Anregungen für unser friedliches Zusammenleben bei Science-Fiction-Serien holen müssen? Was sagt das über unseren Zustand aus?

Sebastian Stoppe: Das ist nichts Beunruhigendes. Ich glaube, dass Utopien und Science-Fiction eine lange Tradition haben. Es gab immer Zustände in der Welt, die kritikwürdig waren. Aus diesem Grund sind solche fiktiven Gesellschaftsentwürfe und Zukunftsvisionen entstanden. Damit wir uns auf der Erde bewusst werden, woran man arbeiten kann.

 

Inwieweit kann eine Raumschiff-Gemeinschaft ein leuchtendes Vorbild für uns Erdlinge sein?

Stoppe: Interessante Frage. Ein Raumschiff ist ein abgeschlossener Organismus. Das ist quasi eine Modellgesellschaft im Weltraum. An Bord des Raumschiffes kann man einen Gesellschaftsentwurf sehr schön durchspielen. Wie auf einer Insel. Dort wo auch die meisten klassischen Utopien spielen. Das Raumschiff ist also die Insel. Ob die Gesellschaft in diesem Raumschiff gut oder schlecht ist, das ist erst einmal Ansichtssache. Wichtiger ist der Entwurf, der uns vorgestellt wird, über den wir anschließend diskutieren können.

 

Wie schaut diese Utopie konkret aus?

Stoppe: Durch "Star Trek" zieht sich ein humanistisches Menschenbild. Der Mensch ist dort nicht perfekt, aber er arbeitet ständig an sich. Nachdem es kein Streben nach Reichtum, keinen Hunger mehr gibt, arbeitet die Menschheit nun an sich selber, um sich geistig weiterzuentwickeln. Dieses Konzept ist eingebettet in eine strenge Hierarchie und Gesellschaftsordnung. In dieser Utopie herrscht keine Demokratie. Es gibt zwar Wahlen und auch einen Präsidenten, aber das war es dann schon. Das hat "Star Trek" wiederum mit dem klassischen "Utopia" von Thomas Morus gemeinsam, wo es ja auch eine Art Oligokratie gibt, in der nur die Elite das Sagen hat.

 

Apropos Oligarchen. Das führt uns zu Russland. Viele Trekkies sehen in der Serie den Kampf Amerikas gegen die Sowjetunion. Gibt es diesen Bezug zur Wirklichkeit in der Serie?

Stoppe: Bei Star Trek hat es in den letzten 50 Jahren immer einen Realitätsbezug gegeben. In der alten Serie mit Captain Kirk dominierte noch ein Schwarz-Weiß-Denken. Nach dem Motto: Die Föderation sind die Amerikaner, die Klingonen sind die Russen. Der Blick auf die Welt wird uns aus amerikanischer Perspektive gezeigt. Das ist nicht überraschend, weil es sich um eine US-Serie handelt. Hundertprozentig kann man die Geschichte nicht auf die reale Welt übertragen. Vielmehr greift "Star Trek" aktuelle Weltthemen auf, um uns einen Spiegel vorhalten zu können. Gerade der Kalte Krieg und der Zusammenbruch der Sowjetunion bis zum großen Thema Terrorismus spielt in den späteren "Star-Trek"-Serien wie "Deep Space Nine" und "The Next Generation" eine große Rolle.

 

Zurück zur Utopie. Wo sollten wir uns Ihrer Meinung nach möglichst schnell eine sprichwörtliche Scheibe von "Star Trek" abschneiden?

Stoppe: Utopien sind große Würfe. Sie zeigen eine ideale Gesellschaft. Das Problem: Die Perfektion kann nie erreicht werden. Eigentlich ist der Weg das Ziel. Wenn fremde Völker politisch zusammenarbeiten können, wie in der Europäischen Union, dann ist das etwas, was offensichtlich für den Frieden und den Wohlstand der Menschen positiv ist. Hier hat "Star Trek" mit seiner Föderation ein Vorbild geschaffen. Momentan sehen wir leider in der Flüchtlingsdebatte, wie schnell so ein Zusammenschluss bedroht ist.

 

Die Frage, wie die Menschheit die größten Probleme, wie Armut, Krieg und soziale Ungleichheit abgeschafft hat, beantwortet "Star Trek" nicht. Ist das eine Schwachstelle in dem utopischen Entwurf?

Stoppe: Nein, das ist keine Schwachstelle. Auch klassische Utopien geben uns keine Anleitungen, wie wir ins gesellschaftliche Paradies kommen. Eine Utopie liefert einen radikalen Bruch und sagt: Wir machen etwas komplett anderes. Wie bei "Star Trek": Dort hat die Menschheit nach dem Horror des letzten großen Krieges beschlossen, fortan zusammenzuarbeiten und das Raumschiff ins Weltall geschickt. Aber eine Anleitung für konkrete Politik ist "Star Trek" nicht.

 

Gut so, könnte man sagen. Schließlich schlummert in Utopien immer auch die Gefahr des Extremismus.

Stoppe: Ja, im Gegensatz zur Utopie gibt es ja auch die Dystopie. Das ist ein sehr schmaler Grad, auf dem man da wandelt. Das zeigt die Serie anhand der Borgs ganz schön. Die behaupten ja auch nur, dass sie dem Individuum dienen und sich weiterentwickeln wollen. Wenn man das genau betrachtet, existieren im Kontrast zur Föderation hier nur kleine Unterschiede. Die aber große Folgen zeigen! Beide behaupten, das Gute zu wollen. Uns bleibt also die Frage nicht erspart, was gut oder böse ist. Das muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Ob er ein Individuum bleiben oder als solches in der Masse aufgehen will für eine Sache.

 

Das Interview führte

Nikolaus Pelke.

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