Schrobenhausen
Der Untergang der Watussi

01.01.2009 | Stand 03.12.2020, 4:22 Uhr

Die Passagiere und die Besatzung der Watussi verlassen das brennende Schiff.

Schrobenhausen (SZ) Am 5. Dezember 1939 erschien ein kurzer Artikel in der Zeitung mit der Überschrift: "Ein Schrobenhausener bei der tapferen Besatzung des deutschen Passagierdampfers Watussi. Gemeint war Josef Schnell. Über sein weiteres Schicksal wurde nichts gemeldet. Was war geschehen

Der Sohn des Pferdehändlers und Restaurationsbesitzers Jakob Schnell in der Bahnhofstraße war seit zwei Jahren bei der Handelsmarine und fuhr im Dezember 1939 gerade als Schüler der Seemannsschule auf dem deutschen Passagierdampfer Watussi. Sie war ein 141 Meter langes Fracht- und Fahrgastschiff der Monte-Klasse mit 9552 Bruttoregistertonnen und am 2. Februar 1928 auf der Hamburger Werft Blohm & Voss vom Stapel gelaufen. Außer Jakob Schnell befand sich noch ein zweiter Seemann aus unserer Gegend auf dem Schiff: Es war dies der Pfaffenhofener Josef Mayr, der dort als Kellner arbeitete.

Die Watussi war am 22./23. November von Mosambik ausgelaufen und befand sich am 2. Dezember gerade am südlichsten Punkt der afrikanischen Küste, in der Nähe des Kaps der guten Hoffnung. Die südafrikanische Luftwaffe unternahm zur gleichen Zeit dort Beobachtungsflüge, um eventuellen feindlichen Schiffsverkehr zu entdecken.

Verdächtiges Schiff

An Flugzeugen für diesen Zweck standen ihr 18 deutsche Junkers Ju 86 zur Verfügung, die das Deutsche Reich zwischen 1937 und 1939 der South African Airways als Verkehrsflugzeuge verkauft hatte. Die South African Airforce (südafrikanische Luftwaffe) jedoch übernahm sie sofort, baute sie zu provisorischen Seeaufklärern und Bombern um und eine dieser Maschinen mit der Flugzeugkennung ZS-AGE sichtete doch tatsächlich am 2. Dezember 1939 um 10.30 Uhr ein verdächtiges Schiff im Gebiet südlich Kap Agulhas: die Watussi. Das Flugzeug mit der Kennung ZS-AGE gehörte der 15.Sqdn. (Cape Town) an und wurde geflogen von Captain H.Q. Boshoff und 2nd Lt. T. Uys.

Die Meldung über die Sichtung ging natürlich sofort weiter an das englischen Schlachtschiff Renown und dem Begleitkreuzer Sussex. Diese beiden Kriegsschiffe, die auf der Suche nach dem deutschen Schlachtschiff Admiral Graf Spee waren, die an selben Tag südlich St. Helena den großen britischen Frachter Doric Star (10.086 BRT) versenkt hatte, befanden sich in der Nähe der Watussi. Die Engländer liefen sofort auf den gemeldeten Standort zu und sichteten sie auch bald.

Übernahme verhindert

Der deutsche Kapitän Stamer sah, dass die Sussex sich immer weiter annäherte und wusste natürlich, was sie vorhatte: die Kaperung und Übernahme der Watussi. Um dies zu verhindern, gab es für ihn nur eine Möglichkeit, nämlich Besatzung und Passagiere zu evakuieren und das Schiff in Brand zu setzen. Die Rettungsboote wurden herabgelassen und man ruderte von der brennenden Watussi weg. Die Renown beschleunigte den Untergang noch, indem sie aus ihren Kanonen einige Schüsse auf das Schiff abgab.

Die Schrobenhausener Zeitung und auch Schnells Eltern wussten über diese dramatischen Ereignisse, in die auch ihr Sohn verwickelt war, nichts. Sie erfuhren auch nicht, dass die 196 Passagiere und die Mannschaft von der Sussex aufgenommen wurden. Kurz vor Mitternacht landete man die Passagiere und Besatzungsmitglieder in Simonstown bei Kapstadt an. Da sie zwar Deutsche, aber keine Soldaten waren, konnte man sie auch nicht als Kriegsgefangene behandeln. Sie teilten das Schicksal viele deutschstämmigen Siedler in Südafrika: sie kamen in ein Internierungslager, in diesem Fall in das Lager Andalusia bei Kimberley (Südafrika). Leider ließ sich nicht ermitteln, ob und wann Josef Schnell wieder zurück in seine Heimatstadt kam. Die Eltern von Josef Mayr hingegen erhielten per Flugpost Mitte Dezember 1939 die Nachricht, dass ihr Sohn noch lebte, aber wie Schnell in Südafrika interniert war.

Aber auch überregional hatte das Schicksal der Watussi Beachtung gefunden. So erinnerte sich beispielsweise ein Leser der Deutschen Allgemeinen Zeitung in einem Artikel an seine frühere Reise mit dem Schiff: "Wir aber, die wir glückliche Stunden an Bord jenes Dampfers verbracht haben, wir senden ihm noch Grüße nach auf den Meeresgrund, wohin sein aufrechter Kapitän ihn in die Freiheit gesandt hat."