Ingolstadt
"Der Traum lebt"

Radprofi Patrick Haller über die Chancen in der WorldTour und das Sichtungsprogramm im Team Katusha

14.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:44 Uhr

Ingolstadt (DK) Ein wichtiges Wochenende steht dem Ingolstädter Radprofi Patrick Haller (Team Heizomat rad-net.

de) bevor. An diesem Samstag findet die deutsche U23-Meisterschaft im schweizerischen Gippingen statt. Einen Tag später startet der 21-Jährige in der Pfalz bei der deutschen Bergmeisterschaft. Warum beide Wettkämpfe wichtig für die kommende Saison sein könnten und welche Rolle das Team Katusha dabei spielt, erzählte Haller in diesem Interview.

Herr Haller, die WorldTour ist der große Traum von Ihnen, wie realistisch ist aktuell dieses Ziel?
Patrick Haller: Der Traum lebt. Mein Frühjahr war gut. Die Ergebnisse waren okay. Vor allem die Rundfahrt Belgrade Banjaluka (UCI2.2), die ich auf dem vierten Gesamtplatz beendete. In den vergangenen Wochen war die Form zwar nicht so schlecht, aber die Ergebnisse stimmten nicht. Nun folgen die deutsche U23-Meisterschaft und die deutsche Bergmeisterschaft. Beide Kurse sollten mir liegen. Ich bin gespannt, ob sich das dann in ein entsprechendes Resultat münzen lässt.

Ein gutes Ergebnis an diesem Wochenende wäre wichtig für Ihren großen Traum.
Haller: Ein gutes Ergebnis wäre natürlich förderlich.

Gibt es bereits konkrete Angebote von WordTour-Teams?
Haller: Nein, noch nicht. Die meisten Teams gehen allerdings nach den Meisterschaften, so ab Ende Juni/Juli auf die Suche nach neuen Fahrern. Zur Saisonhalbzeit können die Teams eine gute Bilanz ziehen und schauen, wie sich die Fahrer im ersten Halbjahr entwickelt haben und wie ihre Planungen für das kommende Jahr aussehen.

Wie schwierig ist es für einen U23-Fahrer einen Platz in einem WordTour-Team zu finden?
Haller: Es ist schwierig. Die Teams haben nur begrenzte Plätze für die Fahrer. Dazu wollen nicht alle Teams einen jungen Fahrer, sondern setzen auf Erfahrung. Aber wenn die Ergebnisse stimmen, dann bekommt man als junger Fahrer trotzdem irgendwo seine Chance.

Ist es in Deutschland besonders schwierig, weil es nur ein WorldTour-Team gibt und kein Pro-Continental-Team, also eine Mannschaft in der zweiten Liga?
Haller: Das spielt auch eine Rolle. Andere Länder haben viele Pro-Continental-Teams. Dort können sich die Nachwuchsfahrer nochmals weiterentwickeln. Dieser Unterbau fehlt in Deutschland. Aber natürlich kann man als Neo-Profi ins Ausland zu einem Pro-Continental-Team wechseln.

Das einzige deutsche WorldTour-Team ist Bora-Hansgrohe. Ist es für einen deutschen Fahrer deshalb schwieriger bei einem ausländischen Team unterzukommen, weil diese jeweils auf ihre nationalen Nachwuchsfahrer setzen?
Haller: Diese Grenze löst sich langsam auf. Die Teams werden internationaler, in Bezug auf die Fahrer, weil auch beispielsweise die Sponsoren internationaler werden. Aber in der Vergangenheit gab es viele Teams, die jahrelang nur auf nationale Fahrer setzten. Dies traf häufig auf französischen Mannschaften zu, wie AG2R oder Cofidis.

Sie lassen aber trotzdem nichts unversucht.
Haller: Nein, schließlich ist es mein Traum in der WorldTour zu fahren.

Deshalb haben Sie sich nun als Katusha Super Stagiaire über das Magazin "Rennrad" beworben.
Haller: Richtig. Das Magazin "Rennrad" hatte zusammen mit dem Team eine Ausschreibung laufen, bei dem man sich für eine Art Praktikumsplatz bei Katusha bewerben konnte. Aktuell sind noch fünf Fahrer neben mir in der Endauswahl. Der Sieger darf ab August bis Ende des Jahres für das WorldTour-Team fahren. Man bekommt dabei auch alle Möglichkeiten eines regulären Katusha-Profis.

Wie erfolgte die Bewerbung dafür?
Haller: Bewerben konnte sich jeder, der Rennrad fährt. Das Team mit den Trainern hat dann sechs Personen in die engere Wahl genommen. Diese werden nun in der "Rennrad", Ausgabe Juli, vorgestellt. Aber vermutlich kamen diejenigen Fahrer in die Endauswahl, die schon ein gewisses Potenzial haben, aber in denen das Team trotzdem noch Entwicklungspotenzial sieht. Und, wenn alles gut läuft, dann hat der Ausgewählte auch Chancen im kommenden Jahr weiter für Katusha zu fahren.

Das Auswahlverfahren ist aber noch nicht abgeschlossen.
Haller: Richtig. In der neuen Ausgabe des Magazins erscheint ein Steckbrief von jedem Fahrer. Die Leser sollen dadurch einen Überblick erhalten. Im Juli soll die endgültige Entscheidung fallen, wer dann bei Katusha fahren wird. In die Betrachtung fließen nun beispielsweise auch noch die nächsten Rennen und Meisterschaften - also auch das anstehende Wochenende - mit ein.

Welche Faktoren zählen sonst noch?
Haller: Die Ergebnisse sind schon wichtig, aber kein Alleinstellungsmerkmal. In die Bewerbung kommen auch andere Kriterien, beispielsweise weiche Faktoren, wie die Teamfähigkeit, die Rolle in der bisherigen Mannschaft usw. Katusha hat beispielsweise auch Zugang zu meinem Trainingpeaks-Login erhalten (Digitales Trainingsprogramm, bei dem sämtliche Daten des Athleten detailliert analysiert werden können, von den Trainingseinheiten bis zu den Wettkämpfen, d. Red. ). Auch das gibt für die Trainer und das Team nochmals einen guten Ein- und Überblick des Sportlers.

Kennen Sie denn Ihre Konkurrenten schon um den Platz bei Katusha?
Haller: Vermutlich (lacht). Offiziell bekanntgegeben sind diese ja noch nicht. Aber so wie ich gehört habe, sollen es sich bei allen um deutsche Fahrer handeln. Die meisten fahren noch bei der U23, also Leute, gegen die ich häufig starte.

Wie hoch schätzen Sie ihre Chancen ein?
Haller: Recht hoch. Im Vergleich mit der Leistungsstärke der anderen Fahrer, die in der Endauswahl des Magazins sind, bin ich mit vorne dabei.

Kurz vor Saisonhalbzeit: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung bislang?
Haller: Die Ergebnisse bei den Frühjahrsklassikern, wie der Flandern-Rundfahrt (Platz 23, d. Red. ) oder Gent-Wevelgem (Platz 13, d. Red. ), helfen mir bei der Suche nach einem Profi-Team. Da habe ich gezeigt, dass ich bei dieser Art von Rennen zur Weltspitze zähle. Auch der April war gut, eben mit dem Start in Belgrad. Da habe ich gezeigt, dass ich auch bei einer Rundfahrt in der Gesamtwertung ganz weit vorne reinfahren kann. Mit den Ergebnissen ab Ende Mai bin ich nicht mehr zufrieden. Aber das habe ich abgehakt. Wie heißt es so schön: Mal läuft es besser, mal schlechter (lacht). Jetzt habe ich nochmals gut trainiert, bin gesund, nun sollte es wieder passen für die anstehenden Rennen.

Das Interview führte
Timo Schoch.