Ingolstadt
Der Stromhändler

15.04.2011 | Stand 03.12.2020, 2:55 Uhr

Auf und Ab am Energiemarkt: Stromeinkäufer wie Stefan Egner müssen bei ihrer Arbeit ständig die Preiskurven verfolgen. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Wenn Stefan Egner ein Schnäppchen macht, soll nicht nur sein Arbeitgeber davon profitieren. Auch die Strom- und Gaskunden der Stadtwerke haben im besten Fall was davon. Denn Egner ist Chef der Energiebeschaffung beim kommunalen Versorger. Er kauft Strom und Gas in großen Mengen ein.

Der durchschnittliche Haushalt verbraucht so um die 3000 Kilowattstunden (kWh) elektrischen Strom pro Jahr. Alles in allem liefern die Stadtwerke jährlich 430 GWh (Gigawattstunden), also 430 Millionen kWh an die Tarif- und gewerblichen Sonderkunden. Und da ist Audi noch gar nicht dabei. "Das ist ein Sonderkunde, der alles in den Schatten stellt", weiß Einkäufer Egner. Bei einer europaweiten Ausschreibung haben es die Ingolstädter geschafft, den Riesenauftrag für Audi Ingolstadt und drei weitere VW-Standorte an Land zu ziehen. Zumindest bis 2012, dann werden die Karten neu gemischt. Diese Großkunden verbrauchen noch einmal etwa das Dreifache von dem, was die Stadtwerke an die übrige Kundschaft liefern.
 

Dafür, dass der Strom vom Produzenten an den Verbraucher kommt, sorgen Stefan Egner und drei Kollegen seines Teams. Der 36-Jährige ist studierter Bauingenieur und befasste sich schon in seiner Diplomarbeit mit einem Energiethema. Über den Partner MVV in Mannheim kam er 2008 zu den Stadtwerken Ingolstadt.

"Früher hat hier einer gearbeitet", sagt er, "jetzt sind wir zu viert, weil sich der Einkauf grundlegend verändert hat." Noch vor wenigen Jahren gab es einen "Vorversorger", E.on Bayern, mit dem hätten die Stadtwerke den Strompreis für ein Jahr ausgehandelt. "Der hat dann gegolten, und im nächsten Jahr kam wieder das Gleiche. Das war’s dann." Bis der Gesetzgeber den Strommarkt liberalisierte, die strikte Trennung von Netzbetreiber und Energielieferant durchsetzte und sich die Zahl der Stromanbieter schlagartig erhöhte. So ist es gekommen, dass Egner und Kollegen sich heute an der Strombörse Leipzig (European Energy Exchange, EEX) eindecken oder über den außerbörslichen Handel, genannt OTC (Over the Counter). "Bei OTC kenne ich meinen Handelspartner", erklärt Egner, "an der Börse nicht, da ist er anonymisiert wie am Aktienmarkt." Genau genommen kaufen die Ingolstädter die Energie nicht selber, sondern beauftragen damit eine MVV-Tochterfirma, die 24/7 Trading heißt. "Die hat für uns den direkten Marktzugang." Die Orders aus Ingolstadt kommen ganz unterschiedlich – je nachdem, ob einer von mehreren hundert Sonderkunden oder die Tarifkunden zu beliefern sind.

Wenn sich die Stadtwerke etwa mit einem Handwerksbetrieb über den Preis einig sind und ihn ein Jahr mit Strom versorgen, wird eine Verbrauchsprognose erstellt und dann sofort die entsprechende Strommenge eingekauft. "Damit bin ich aus dem Risiko raus", erläutert Egner das Verfahren, denn die Einkaufspreise könnten ja schnell wieder nach oben gehen und damit den Stadtwerken ein Verlustgeschäft bescheren. Bei den Tarifkunden kann natürlich nicht mit jedem einzeln verhandelt werden. Der Stadtwerke-Mitarbeiter sieht hier die Verpflichtung, "einen möglichst guten Preis zu realisieren". Um auch hier das Risiko großer Schwankungen zu vermeiden, kauft man in Tranchen quartalsweise ein. "So krieg ich zwar nie den günstigsten, aber auch nicht den höchsten Preis".

Beim Einkauf an der Börse hätten die Stadtwerke "keinen Einfluss auf den Strommix", sagt Egner. Der Versorger könne aber sehr wohl den eigenen Mix (derzeit ein Drittel aus regenerativen Energien) verbessern, indem er direkt Ökostrom vom Wasserkraftwerk abnehme (Tarif Aquavolt). "Der ist aber teurer." Nach Fukushima werde der Druck sicher steigen, auf diesem Gebiet mehr zu tun.