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Der SPD-Kanzlerkandidat kämpft

Schulz läutet mit Zukunftsplan heiße Wahlkampfphase ein Merkel will für vier Jahre antreten

16.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Berlin (DK) Deutschland, ruft Martin Schulz seinen Genossen im Atrium des Willy-Brandt-Hauses zu, stehe vor "einer Richtungsentscheidung". Ein modernes Land in einem erneuerten Europa zu werden, oder "Status quo und Rückschritt". Der SPD-Kanzlerkandidat rackert sich ab am Rednerpult. "Mir jedenfalls ist es wichtig, dass die Bürger eine echte Wahl haben. Ich bin mir sicher, Deutschland kann mehr", gibt sich Schulz kämpferisch. 70 Tage noch bis zur Bundestagswahl - der Merkel-Herausforderer präsentierte gestern einen "Zukunftsplan". 19 Seiten als Destillat des gerade erst beschlossenen Wahlprogramms der Sozialdemokraten, darin viel Bekanntes und einige markante Punkte. "Ich möchte ein Kanzler sein, der Probleme anpackt", sagt der SPD-Chef. Zumindest bei den Themen Bildung, Investitionen und Europa wird er konkreter als bisher.

Vorhang auf für die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs: CDU, CSU und SPD schärfen ihr Profil. Nicht nur Schulz bläst zum Angriff. Angela Merkel hat gerade eine Küsten-Reise mit Auftritten an Nord- und Ostsee hinter sich, stimmt mit einem großen TV-Interview auf den Countdown zum 24. September ein. In München versammelte Horst Seehofer gestern Abend die enge CSU-Führung um sich: Letzte Feinarbeit am "Bayern-Plan", den die Christsozialen heute vorstellen wollen - als Ergänzung zum gemeinsamen Programm der Union.

Was für ein Kontrast. Ende Januar noch, als Schulz gerade zum Kanzlerkandidaten nominiert war, herrschte bei der SPD Euphorie. Die ist nun verflogen. Dass in der letzten Woche in der Debatte um die G 20-Krawalle von Geschlossenheit keine Rede sein konnte, steckt den Genossen noch in den Knochen. Und nun der Versuch, wieder aus der Defensive herauszukommen. Ein "Chancenkonto" mit 20 000 Euro Startguthaben verspricht Schulz, eine nationale Allianz für Schulen, eine staatliche Investitionspflicht und ein digitales Bürgerportal für alle Verwaltungsdienstleistungen. Ein deutsches Veto kündigt er für den Fall an, dass der neue EU-Haushalt ohne finanzielle Nachteile für Länder bleibt, die keine Flüchtlinge aufnehmen. Zukunft, Wirtschaft, Europa - von sozialer Gerechtigkeit, bisher sein großes Thema, spricht Schulz kaum.

Und Angela Merkel? Gestern Abend im ARD-Interview reagierte die Kanzlerin gelassen auf den "Zukunftsplan" ihres Herausforderers und legte sich fest, was ihre persönlichen Planungen für die Zukunft angeht. Sollte sie wiedergewählt werden, wolle sie bis 2021 regieren. "Ich habe deutlich gemacht, als ich wieder angetreten bin, dass ich für vier Jahre antrete", sagte Merkel. Es gebe zwar nur eine "bedingte Verfügungsgewalt" über das eigene Leben. "Aber ich habe die feste Absicht, das auch genauso zu machen, wie ich es den Menschen gesagt habe €, so die Kanzlerin.

Bei der CSU in München dürfte Merkels Interview für besondere Aufmerksamkeit gesorgt haben. Eigentlich wollen CDU und CSU ja wieder Seite an Seite kämpfen, auch wenn die Christsozialen heute mit ihrem "Bayern-Plan" noch einmal eigene Akzente setzen wollen. Gut 30 Seiten sind es nun geworden, neben Mütterrente und Volksentscheide auf Bundesebene findet sich darin auch die umstrittene Forderung nach einer Flüchtlingsobergrenze. "Ich werde sie nicht akzeptieren", macht Merkel klar.

"Ich sage vor der Wahl, was ich vorhabe", ruft SPD-Kanzlerkandidat Schulz am Rednerpult im Willy-Brandt-Haus und schaltet auf Attacke um. Da ist er wieder, der zentrale Wahlkampf-Vorwurf des SPD-Manns an die Adresse seiner Widersacherin: Sie entziehe sich der inhaltlichen Auseinandersetzung. Ein "Anschlag auf die Demokratie" sei das, hatte Schulz vor Wochen beim SPD-Parteitag kritisiert. Es sei "ein ausgewachsener Skandal", wie die Kanzlerin Europa-Politik mache, legt er nun nach. Sie verfahre nach dem Motto: "Wir haben große Dinge mit Europa vor, aber was ich vorhabe, das sage ich erst nach der Wahl." Ob das alles verfängt? Schulz €˜ Vorwürfe scheinen an Merkel abzuperlen. Der Herausforderer tut sich erkennbar schwer mit ihrem Wahlkampf-Stil.