Roth
Der Schleier der Melancholie

Ein vom Leben gezeichneter Wolfgang Ambros gibt in der Rother Kulturfabrik ein beachtliches Konzert

19.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr
Das Leben hat seine Spuren hinterlassen: Wolfgang Ambros zeigt andere Qualitäten als früher in der Kulturfabrik. −Foto: Messingschlager

Roth (HK) Brüchig, alt, schwergängig und schwer zu akzeptieren.

Gerade einmal 65 Jahre alt, ist aus dem so viele Jahrzehnte kraftstrotzenden Wolfgang Ambros ein winziges Männlein geworden, das vom Stock gestützt mit Mühe seinen Bühnenhocker erreicht. Auch die Hände wollen nicht mehr so, vor allem wenn die Barrégriffe Variationen verlangen. Und trotzdem: "Ambros pur" in der vollen Rother Kulturfabrik ist keine Enttäuschung, es ist gerade wegen Ambros' Brüchigkeit ein authentisches Erlebnis. Ein Konzert, das man so nicht alle Tage erlebt.

 

Schwer vom Leben gezeichnete Musiker, die bis zum bitteren Ende auf die Bühne gezerrt werden und dort mehr oder minder vorgeführt werden, hat man auch schon in der Kulturfabrik erlebt. Bei Wolfgang Ambros ist es anders, obwohl der Verfall allgegenwärtig und offensichtlich ist, die Ansagen nur schwer verständlich sind und das Wolferl wie trunken wirkt, "Ambros pur" ist das selbstbestimmte Statement eines Musikers. Vergleichbar mit dem späten Johnny Cash.

Auch spielt Ambros ständig mit dem Altwerden, das fängt schon damit an, wenn seine beiden - fitten - Mitmusiker, Günther Dzikowski an den Tasten und Roland Vogel an den Saiteninstrumenten, gleich zu Beginn rätseln, mit welchem Lied man wohl beginne. "Mit dem von gestern?" "Da ham'er gar net g'spuilt." Dann eben das von vorgestern. Beiden attestiert Ambros dann eine beginnende Demenz. Um etwas später sich selbst die "Tendenz zur Demenz" zu bescheinigen - die ihm die Grenzen zeige und an ihm hänge wie Blei. "Aber mei, jetzt ist's bald vorbei."

Den Hang zum Morbiden und zum Tod hatte Ambros schon immer, man denke nur an den "Zentralfriedhof" oder den "Hofer". Aber nun haftet das Morbide, der nahe Tod selbst an ihm und legt einen wehmütig-melancholischen Schleier über das Konzert. Wenn er gleich zu Beginn eine "Midlifecrisis-Trilogie" zum Besten gibt, bekommt das Lied "Resumee" eine ganz andere Bedeutung. Wenn selbst uralte Liebeslieder wie "Wintersun" plötzlich etwas Verblichenes, Vergangenes anhaftet. Wenn es immer wieder um "hehre" Begriffe geht: gut, schön, Freundschaft, Liebe . . . Wenn die Fragen nach dem Sinn kommen, wo doch der junge Ambros nicht einmal über Morgen nachdachte. Und wie anders empfängt man heute das vor 30 Jahren geschriebene "Gut und schön": "Wennst deine Fehler siehst, dann siehst irgendwann ein: Du bist zwar irrsinnig guat, doch du kannst viel besser sein."

Wohl die meisten, die am Samstagabend den Weg in die Kufa gefunden haben, begleitet die Musik von Wolfgang Ambros schon seit der Jugend, deshalb fällt es auch leicht, das manchmal nur Hingenuschelte und Verkürzte zu verstehen, über manchen Witz trotzdem zu lachen. Da ist auch allen klar, dass ein Georg nur der viel zu früh gestorbene Georg Danzer sein kann. Der Ambros im Übrigen einst geraten hat, ein Lied auch mal vor dem Schluss zu beenden, "wegen der Stimmung". Komme dann wieder ein Schluss, dann sei es "wie ein warmer Regen". Danzers flamencohafte "Weiße Pferde" gibt es aber ganz - bis zum Schluss.

So melancholisch vor allem der erste Teil des weit über zweistündigen Konzerts auch ist, im zweiten Teil und vor allem bei den Zugaben wird es lebendig und laut. Plötzlich wird auch die Stimme Ambros' wieder kräftiger, wenn es auch mit dem Schreien nicht wird. Und: Von seinem Timbre hat Wolfgang Ambros nichts eingebüßt, es ist schwächer und brüchiger, klar, aber es ist immer noch unverkennbar Ambros: Die No. 1 vom Wienerwald wird er immer sein. Auch weiß der Meister, mit wem man einen puristischen Abend gestalten kann. Denn wenn es gewünscht ist, kann Günther Dzikowski eine ganzes Orchester ersetzen und Roland Vogel mit Stimme und Klängen die Lücken füllen.

Am Ende jedenfalls erhebt sich Roth von den Sitzen und das Trio verneigt sich. Nicht ohne vorher mit "Zentralfriedhof", "Da Hofer", "Die Blume aus dem Gemeindebau" und "Skifoan" den Schleier der Melancholie wenigstens sein bisschen gelüftet zu haben.