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Der Rother vom Ohnsorg-Theater

Tobias Kilian ist Franke durch und durch - Seit einigen Jahren ist er aber Hamburger und spricht fließend Platt

05.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:39 Uhr
Christiane Bosch
in der Komödie "Botter bi de Fisch" spielt Tobias Kilian als Tim-Ulf an der Seite von Sina-Maria Gerhardt. −Foto: Scholz/dpa

Hamburg/Roth (dpa) Schon die Begrüßung ist waschecht norddeutsch. "Moin", sagt Tobias Kilian mit festem Händegriff. Dabei strahlt er charmant. Das ist allerdings verräterisch. Der Norddeutsche an sich ist dem Klischee zufolge schließlich nicht zwingend so offen beim ersten Kontakt. Der Franke an sich allerdings auch nicht wirklich. Kilian ist seit fünf Jahren Schauspieler am plattdeutschen Ohnsorg-Theater. Er liebt seine Heimat - sowohl die alte als auch die neue.

Das Ohnsorg-Theater ist eine Hamburger Institution. Um dort auftreten zu dürfen, muss man überzeugend Platt schnacken, denn alle Stücke werden auf Plattdeutsch aufgeführt. Dafür hat der hochdeutsch sprechende Kilian, der sowohl fränkisch als auch oberbayerisch auf Knopfdruck hervorzaubern kann, jahrelang regelmäßig Sprachunterricht genommen. "Das ist nicht nur ein Dialekt. Platt ist eine eigene Sprache", sagt der 43-Jährige. Das habe schon gedauert, bis er die Eigenarten verstanden und verinnerlicht hatte.

In den ersten Jahren auf der Ohnsorg-Bühne sei ihm das auch noch nicht 100-prozentig zufriedenstellend gelungen. Seine strengste Zuhörerin war dabei eine Kassiererin des Theaters, die mittlerweile im Ruhestand ist. "Die kam immer mal in die Stücke und sagte dann danach oft: "So ganz astrein war das noch nicht." Fünf Theaterstücke später sei sie schließlich zufrieden gewesen, sagt Kilian nicht ohne Stolz. Mittlerweile könne er auch außerhalb des Theaters problemlos jederzeit Platt schnacken und verstehen.

Wenn man ihn in einer aktuellen Aufführung des Theaterstücks "Botter bi de Fisch" im Ohnsorg-Theater sieht, möchte man seine fränkische Herkunft nicht glauben. Er schnackt Platt mit einer Geschwindigkeit, die einen fast schon schwindelig macht. Im Ohnsorg-Theater kommen jährlich sieben Stücke auf die Bühne. In allen wird Plattdeutsch gesprochen. Hier und da wird ein bisschen Hochdeutsch eingestreut, Kilian darf im noch bis 7. Juli laufenden Stück auch bayerisch sprechen. Aber nur kurz, dann muss er wieder in die für das Theater traditionelle norddeutsche Sprache wechseln.

Das Ehepaar Ulrike und Dirk Hoffmann hat sich von Schauspieler Tobias Kilian überzeugen lassen. "Dass er aus Bayern kommt, hätte ich jetzt nicht gedacht", sagt die 57 Jahre alte Hamburgerin. Platt habe allerdings auch viele Nuancen. "Jeder Landstrich hat sein eigenes Platt. Da sind wir ohnehin verschiedene Nuancen gewöhnt", ergänzt ihr Mann.

Dass Kilian Schauspieler werden möchte, wusste er schon mit fünf Jahren. Seine Eltern waren sehr aktiv im Karneval. Sein Vater war Präsident des Fränkischen Fastnacht-Verbandes. "Büttenredner wurden immer gesucht. Da war die Wahl schnell auf mich gefallen." Der Applaus nach seinen Auftritten habe ihm gut gefallen. In der Schule blieb er dieser Leidenschaft treu und spielte im Theaterkurs.

In der Zeit hat sich Kilian, der in Roth aufgewachsen ist, mit einer Logopädin das typisch rollende Franken-R abgewöhnt. Am Ende der Schule wird er von der Gymnasiumsbühne weg direkt engagiert. Viele Jahre spielt er daraufhin im Gostner Hoftheater in Nürnberg, bis er schließlich in Berlin eine Schauspielschule besucht.

"Danach habe ich direkt zwei Angebote bekommen. Bei 'Dahoam is Dahoam' in München oder am Altonaer Theater." Er entschied sich gegen die bayerische Fernsehserie, bei der er wahrscheinlich deutlich mehr Geld verdient hätte. "Ich habe mich fürs Theater entschieden. Das habe ich nie bereut."

Kilian spielt gern Theater. "Es gab keine einzige Sekunde, in der ich etwas anderes werden wollte." Kind sein, ausflippen können, andere Seiten von sich durch spannende Rollen so frei entdecken zu können - das geht nur auf der Bühne, sagt er. Mittlerweile schreibt er auch Theaterstücke, "einfach schöne Geschichten über Liebe, Freundschaft, die Suche nach sich selbst". Langfristig kann er sich auch vorstellen als künstlerischer Leiter oder Intendant an einem Theater zu arbeiten.

Bis dahin aber wird er Hamburg weiter genießen. Am liebsten in einer Kleingartenanlage in Eimsbüttel. "Das Familiäre, die Natur und vor allem die Ruhe, obwohl man mitten in einer Großstadt ist - das ist großartig." Hamburg sei zudem in all seinen Facetten total schön. Heimweh an sich habe er nicht. Aber ihm fehle das Essen und Trinken aus der Heimat durchaus. "Bier, Wurst, Wein - das ist in Franken alles großartig." Manchmal schicke ihm seine Mutter noch echtes Kümmelbrot und fränkische Würste in die Hansestadt.

Christiane Bosch