Regensburg
„Der perfekte Mord“: Urteil im Fall Maria Baumer erwartet

04.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:26 Uhr
Der Angeklagte steht im Verhandlungssaal des Landgerichts in Regensburg. −Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild

Er googelte „der perfekte Mord“ - in Regensburg sitzt ein Krankenpfleger wegen der Tötung seiner Verlobten vor Gericht. Er bestreitet die Tat. Werden ihm seine Internetrecherchen und seine zahlreichen Lügen zum Verhängnis? Nun steht der Urteilsspruch an.

Was geschah an Pfingsten 2012 in der Wohnung eines jungen Paares in Regensburg tatsächlich? Einzig der Angeklagte in dem Mordprozess vor dem Landgericht der oberpfälzischen Stadt kennt die Wahrheit. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der 36-Jährige seine Verlobte mit Medikamenten umbrachte, um für eine neue Beziehung frei zu sein. Die Leiche vergrub der Krankenpfleger im Wald - was er zugegeben hat. Mit dem Tod der Frau will er aber nichts zu tun haben. Der Staatsanwalt glaubt ihm nicht und fordert lebenslange Haft wegen Mordes. Der Verteidiger plädiert auf Freispruch.

Rückblende: Ende Mai 2012 verschwindet Maria Baumer. Die 26-Jährige ist - so beschreiben es Angehörige und Zeugen - eine lebensfrohe Frau. Gerade hat sie ihren ersten festen Job angetreten, ist zur Vorsitzenden der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) gewählt worden und steht kurz vor dem Ja-Wort. Die Hochzeitseinladungen sind verschickt. Warum also sollte die Frau einfach abhauen?

Das hatte der heute 36 Jahre alte Deutsche an jenem Wochenende den Angehörigen erzählt. Er sei beim Joggen und Maria danach verschwunden gewesen. Später habe sie ihn angerufen, angeblich von Nürnberg aus, mit der Information, sie sei unterwegs nach Hamburg und komme bald wieder. Völlig unverständlich für die Angehörigen, die vergeblich warten. Denn Maria kehrt nicht zurück. Im September 2013 entdecken Pilzsammler ihre Leiche in einem Wald.

Der Verlobte wird festgenommen und muss in Untersuchungshaft. Er bestreitet die Tat und kommt auf freien Fuß. Sechs Jahre später, im Dezember 2019, folgt die Wende: Mit neuen technischen Mitteln werden an der Leiche Spuren von Medikamenten nachgewiesen. Zudem machen den Mann seine Google-Abfragen verdächtig: Nach „der perfekte Mord“ sowie tödlichen Medikamenten-Dosen hatte er in den Wochen vor Marias Tod gesucht. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, der Vorwurf: Mord.

Im Prozess schweigt der Mann zunächst, weist laut seinen Anwälten die Vorwürfe von sich. Doch die Schlinge zieht sich zu. Zu vieles spricht dafür, dass er an der Leichengrube im Wald gewesen sein muss. So hatte er dort den Spaten vergessen, den er kurz vor dem Verschwinden Marias gekauft hatte. Haare in der Grube werden ihm zugeordnet.

Der Angeklagte lässt über seinen Anwalt ausrichten, die Leiche im Wald vergraben zu haben. Die Tabletten müsse Maria selbst geschluckt haben, und weil er diese von seiner Arbeitsstelle geklaut habe, habe er um seinen Job gefürchtet. Er sei völlig verzweifelt gewesen und habe in einer Kurzschlussreaktion gehandelt - also die Tote verscharrt und den Angehörigen eine Lügengeschichte erzählt.

Der Staatsanwalt sagt, die Einlassung sei „löchrig wie Schweizer Käse“. Der Handy- und Computerauswertung nach muss der Angeklagte im mutmaßlichen Tatzeitraum von einer jungen, suizidgefährdeten Patientin regelrecht besessen gewesen sein. Und weil er die Verlobung nicht habe lösen wollen und zudem im Medizinstudium etliche Chemieprüfungen nicht bestanden hatte, habe er Maria vergiftet, glaubt der Staatsanwalt. Der Angeklagte sei nicht in der Lage, offen mit Konflikten umzugehen und habe die Schmach mit dem Studienabbruch nicht ertragen. Er sei ein „pathologischer Lügner“.

In seinem Plädoyer verweist der Ankläger unter anderem auf einen pikanten Fund auf dem Computer: Ausgerechnet an jenem Morgen, an dem der Mann seine Verlobte tot im Bett gefunden haben will, lud er den Ermittlungen nach aus dem Internet Lieder für die von ihm angebetete Patientin herunter und schrieb ihr Nachrichten.

Dass der Verlobte Branntkalk und Zement über die Tote schüttete, sieht der Ankläger als weiteren Beleg für eine geplante Tat: Auf diese Weise habe die Leiche zersetzt und das Ausgraben verhindert werden sollen. Etliche weitere Lügen listet der Staatsanwalt auf: fingierte Nachrichten, falsche Identitäten im Netz, die Joggingrunde.

Die Psychiaterin bescheinigt dem 36-Jährigen eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur. Er sei konfliktscheu, wolle eine ideale Fassade wahren und sei manipulativ. Die Lügengeschichten über Jahre aufrechtzuerhalten habe den Angeklagten Kraft gekostet. Er wurde alkoholsüchtig. Überdies betäubte er auch die Patientin mit Tabletten im Tee. 2016 wurde er wegen Missbrauchs eines Jungen in einem länger zurückliegenden Fall zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Der Verteidiger sagte in seinem Plädoyer: „Das Ganze ist nicht mehr gewesen als ein blöder Unfall.“ Dass der 36-Jährige den Spaten im Wald vergessen hatte, sieht er als Beleg dafür, dass der eben genau kein Mörder sei. Sonst hätte er den Spaten später noch geholt. Mit den Lügengeschichten sei der Mann „kreativ“ geworden. „Rückblickend betrachtet ist das an Dämlichkeit nicht zu überbieten.“

Dass er nach einem „perfekten Mord“ gegoogelt habe, sei ebenfalls kein Beweis. „Er sucht das perfekte Verbrechen und dann macht er es völlig unperfekt. Er macht allen möglichen Scheiß.“ Der Anwalt nennt die erfundenen Telefonate. „Da weiß doch der letzte Volltrottel, dass das rausgefunden werden kann von der Polizei.“ Abschließend sagt er, die Leiche zu vergraben und der Familie vorzuspielen, die Frau sei verschwunden, sei von seinem Mandanten eine „Riesensauerei“ und „niederträchtig“ gewesen. Aber strafrechtlich sei das „gar nichts“.

Das Urteil soll am Dienstag (15.00 Uhr) verkündet werden.

Mitteilung KLJB zum Tod Maria Baumers