München
Der Millionär als armer Schlucker

Fulminant und sehenswert: Uraufführung der Revueoperette "Drei Männer im Schnee" am Gärtnerplatztheater München

01.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:50 Uhr
Erich Kästners Roman "Drei Männer im Schnee" nutzt das Gärtnerplatztheater als Vorlage für eine betont nostalgische Revueoperette im UFA-Stil. Es spielen: Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn), Erwin Windegger (Eduard Tobler), Alexander Franzen (Johann Kesselhuth). −Foto: POGO Zach

München (DK) Das hat jetzt noch nichts mit dem Stück zu tun, aber es muss einmal gesagt werden: Es ist beileibe nicht selbstverständlich, ein Staatstheater voller gut gelaunter Menschen zu betreten.

Am Eingang, an der Garderobe, vor dem Saal - es ist unglaublich, mit welcher Herzlichkeit die Besucher im Münchner Gärtnerplatztheater empfangen werden. Hut ab! Das kann man zu Intendant Josef Köpplinger aber auch nach der umjubelten Uraufführung der Revueoperetten-Version von Erich Kästners "Drei Männer im Schnee" sagen: Das gleich von vier Komponisten neu geschaffene Opus vereinigt aufs Beste spritzige Unterhaltung mit einem erträglichen Schuss satirischer Sozialkritik und wird Kästners ebenso liebevollem wie hintersinnigem Buch absolut gerecht.

Das von Köpplinger bewusst als Revueoperette im 30er-Stil in Auftrag gegebene Werk mit neu komponierten Stücken in altem Stil schafft eine beachtliche Bandbreite. Tango und Walzer, Wienerlied und Tiroler Folklore, schlagerartige Ohrwürmer und ein Schuss Jazz für eine dramaturgisch klug konzipierte Handlung mit reichlich Wortwitz - das haben der Musikkabarettist Thomas Pigor und die Musiker Benedikt Eichhorn, Christoph Israel und Konrad Koselleck als Komponisten-Team wirklich gut hinbekommen. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der reiche Konzernchef Eduard Tobler tarnt sich als armer Mann und logiert im eigenen Grandhotel, das ihn mit dem arbeitslosen Werbefachmann Fritz Hagedorn verwechselt, was beiden völlig neue Erfahrungen, aber auch eine schöne Freundschaft beschert. Dazu gibt's eine Liebesgeschichte, einen schwulen Butler, einen Skilehrer, dem Tirol schon zum Hals heraus hängt, ein mannstolles, sehr anpassungsfähiges Vollweib und einen turbulenten Silvesterabend im Jahr 1932. Ihn besuchen auch vergnügungslustige SA-Männer und ein maskierter Sensenmann - als Antwort auf die im Stück gestellte Frage, was die Zukunft wohl bringen mag. Diese Anspielungen sind präsent und geben durchaus im aktuellen Weltgeschehen zu denken, lassen dem Stück aber dennoch seine Leichtigkeit.

Denn eines ist die 30er-Revueoperette nie: verzopft, zäh oder langweilig. Dazu trägt auch die geradezu fulminante Optik bei, die Rainer Sinell (Bühne) und Dagmar Morell (Kostüme) für die wie immer bewegungsintensive und höchst abwechslungsreiche Inszenierung von Josef Köpplinger geschaffen haben. Mittels Drehbühne wird fast filmisch schnell gewechselt zwischen Grandhotel drinnen und Tiroler Bergen draußen, Schneegestöber und Schneemannbau, Gondelbahn und Bergstation oder die Firma Tobler mitten in Berlin. Ein Sonderlob gibt's für den Anfänger-Skikurs mit Toni - ein echter "Köpplinger" mit Lachgarantie, inklusive störend-querendem Tourenfahrer.

Getanzt, gespielt und gesungen wird vom Liftboy bis zum Tiroler Eisbahn-Pfleger ausnahmslos mit Leib und Seele. Allen voran glänzt Erwin Windegger als Eduard Tobler, Armin Kahl (Dr. Fritz Hagedorn) und Alexander Franzen (Johann Kesselhuth) vervollständigen das ebenbürtige "Männer im Schnee"-Trio. Julia Klotz macht als koloraturgewandte, selbstbewusste Hilde Tobler ihre Sache sehr gut - und Sigrid Hauser als Frau Calabré zieht alle darstellerischen und stimmlichen Register, um (nicht nur) die Männer auf der Bühne flachzulegen. Wenn dann am Schluss der Emir von Bahrein (Alexander Moitzi) die Bühne betritt, um mit Toblers Tochter die Lieferung von Kühlschränken zu beschließen, bleibt kein Auge trocken.

Zu Recht gefeiert wurden vom Publikum auch das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz - stückgetreu ergänzt um Banjo, Saxofon sowie Zither - unter Andreas Kowalewitz und Chor wie Kinderchor des Gärtnerplatztheaters. Wer diesen liebevoll-hintersinnigen Spaß verpasst, ist selbst schuld.

ZUM STÜCK
Theater:
Staatstheater am Gärtnerplatz
Regie:
Josef E. Köpplinger
Musikalische Leitung:
Andreas Kowalewitz
Choreografie:
Adam Cooper
Bühne:
Rainer Sinell
Weitere Vorstellungen:
bis 10. März
Kartentelefon:
(089) 2185 1960

Barbara Angerer-Winterstetter