Pfaffenhofen
Der Mensch und das Obst

14.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:37 Uhr

Martina Brandl (rechts) signierte bei der Lesung im Freibad-Kiosk gerne ihr neues Buch „Schwarze Orangen“ - Foto: Böhm

Pfaffenhofen (PK) Sie stellt auch Ansprüche an ihr Publikum: „Lächeln ist zwar sehr schön, aber das höre ich nicht beim Lesen“, erklärte Martina Brandl zu Beginn ihrer Lesung.

Das Publikum – der Freibadkiosk ist gut gefüllt mit vornehmlich weiblichen Gästen – musste sich nicht allzu viel Mühe geben, hörbare Beweise dafür zu geben, dass der Text gut ankam.

Die Komikerin und Kabarettistin Martina Brandl las aus ihrem neuen Buch „Schwarze Orangen“. Es war die dritte und letzte Veranstaltung der Kultursommer-Lesezeit.

Das Interesse war groß und der Freibadkiosk – einladend im neuen Outfit – schien wie geschaffen für die Lesung aus dem Buch, das in einer Kleinstadt spielt und in dem ein Freibad nicht unbedeutend ist, noch dazu, weil das Buch zu großen Teilen auf der Freibadterrasse ihrer Heimatstadt Geislingen entstanden ist, wie die Autorin berichtete.

Dem Publikum angekündigt wurde Martina Brandl von Dorle Kopetzky, die sich Verstärkung durch „Stachelbär“ Volker Bergmeister geholt hatte. Dieser moderierte den Abend und nutzte die Gelegenheit, einige interessante Fragen an die Autorin zu stellen. Ganz bewusst, so ist zu erfahren, habe sie keine Fortsetzung von ihren beiden Erfolgsromanen „Halbnackte Bauarbeiter“ und „Glatte Runde Dinger“ schreiben wollen, nicht nur, um den Druck auszuweichen, sondern eben auch, um etwas Neues zu machen, zu lernen. „Wenn man zwei Jahre an einem Buch schreibt, kann man das nicht nur, um dem Leser eventuell einen Gefallen zu tun“. Vielmehr wolle sie sich, wenn sie schreibe, „selber dabei unterhalten“.

So hat sie mit der Erzählperspektive experimentiert und skurrile, eigenwillige Menschen zusammengestellt, ähnlich wie in einem bunten Obstkorb – Obst spielt im Buch eine bedeutsame Rolle – und ähnlich wie beim Obst kommen Farben, Formen, Gerüche und bisweilen auch Giftiges zusammen.

Eine nur auf den ersten Blick harmlose Mischung also, langsam wird die Geschichte entwickelt. Da ist die Obsthändlerin Siglinde Jasmin, über die es im Verlauf des Romans gewiss noch mehr zu erfahren gibt als ihre Vorliebe für Sprichwörter und ihren Tick, ihre Kunden mit Obst- oder Gemüsenamen zu benennen – passend zu deren Aussehen oder Charaktereigenschaften. Im Laufe der Lesung lässt Martina Brandl die Figuren auftreten wie auf einer kleinen beschaulichen Provinztheaterbühne, doch schnell ist klar, dass sie mehr sind, als sie scheinen, wie zum Beispiel Sebastian, der schrullige, langhaarige Gehilfe von Frau Jasmin, dass sie Vergangenheit mit sich herumtragen, wie die Alkoholikerin und Außenseiterin Marianne Berg oder „der Graf“ und auch Yvonne, der „liebenswürdige Trampel“ aus der Großstadt. Und wer, ganz nebenbei, ist es eigentlich, der diese Geschichte erzählt?

„Ich liebe es, etwas aufzubauen und es dann wieder einzuwerfen“, gesteht Martina Brandl, und so zeichnet sie in kurzen Sequenzen ein mögliches Leben von Sebastian, wie es sicher gewesen ist. Oder gewesen sein könnte. Oder was die Leute so reden. „Was die Wahrheit ist, erfahren Sie nur, wenn Sie das Buch zu Ende lesen“.

Eine ironisch-spöttelnde Sichtweise auf Dinge und Situationen kann sie nicht ganz ablegen, auch wenn der Roman leichtfüßig und als perfekte Ferienlektüre daherkommt, erkennt man doch, dass da jemand genau beobachtet hat und die Schwächen der Menschen kennt, die Fallen, in die sie gerne laufen, ohne es zu merken, all das ist im Brennglas des Kleinstadtflairs sichtbar gemacht. Aber wie gesagt: Maulheim, der Ort der Handlung, ist fiktiv und von der Autorin erdacht. Könnte überall sein. Vielleicht auch in Pfaffenhofen.

Am Ende möchte Volker Bergmeister dann doch gerne wissen: Mit welchem Gemüse würde Frau Jasmin ihn wohl betiteln? „Vielleicht eine weiße Bohne“ schlägt Martina Brandl nach kurzem Überlegen vor. Die seien weich und glatt und sehr wohlschmeckend, zum Beispiel als Salat. „Und sie passen überall dazu“. Das Publikum ist begeistert, doch aus irgendeiner Ecke kommt der Einwand: Manchmal seien sie schwer zu verdauen. Was einer wie Volker Bergmeister gewiss als Kompliment auffassen wird.