Altmannstein
"Der Mensch ist schlauer als das Virus"

Bundestagsabgeordneter Reinhard Brandl hält Videokonferenz mit der CSU Altmannstein ab

18.01.2021 | Stand 22.01.2021, 3:33 Uhr
Nur über den Bildschirm konnte der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl mit der Parteibasis in Altmannstein kommunizieren. Dennoch entstand eine lebhafte Debatte, in deren Mittelpunkt die Bekämpfung der Corona-Pandemie stand. −Foto: Rast

Altmannstein - Der CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl geht davon aus, dass die Corona-Pandemie bis Ende des Jahres unter Kontrolle ist. "Denn der Mensch ist schlauer als das Virus", betont Brandl bei einer Versammlung der CSU Altmannstein am Sonntagabend. Die Normalität werde wiederkommen, aber es werde eine andere sein als bislang gewohnt. "Corona wird Deutschland nachhaltig verändern", prophezeit Brandl.

Das vom CSU-Ortsvorsitzenden Johann Kuffer geleitete Treffen sollte die eigentlich für diesen Termin anberaumte Jahresversammlung ersetzen und fand in Form einer Videokonferenz statt. Es nahmen etwa 30 CSU-Mitglieder teil. Darunter war auch Altmannsteins Bürgermeister Norbert Hummel. Der wichtigste Gast des Abends war der Bundestagsabgeordnete Brandl, der vor dem Computer an seinem Schreibtisch in Eitensheim saß. Er sei dankbar für diese Videokonferenz, wenn er schon nicht persönlich in Altmannstein anwesend sein könne, sagte der Parlamentarier.

Brandl lässt die wichtigsten Stationen der vor knapp einem Jahr ausgebrochenen Pandemie Revue passieren. Deutschland sei Mitte März vergangenen Jahres in eine Schockstarre gefallen, doch damit gut durch die erste Welle gekommen. Allerdings habe diese Schockwirkung während des Sommers nachgelassen, bedauerte er. Man gehe jetzt lockerer mit dem Corona-Virus um. "Aber das ist gefährlich, weil die Maßnahmen nun nicht mehr so gut wirken wie im Frühjahr." Brandl belegt diese Aussage anhand von Mobilfunkdaten. Diese anonymen Aufzeichnungen würden zeigen, dass die Mobilität im März um 40 Prozent, in diesem Januar allerdings nur noch um 15 Prozent gesunken sei. "Die Disziplin der Bürger war im Frühjahr deutlich größer", lautet Brandls Fazit.

Deswegen erlebe man nun eine weit schwierigere Phase als im Frühjahr. Die intensivmedizinische Versorgung sei in mindestens zehn Bundesländern zu mehr als 85 Prozent ausgelastet. Etwa 25 Prozent der Kapazitäten würden von Covid-19-Patienten beansprucht: "Wir sind am Limit." Sollten die Infektionszahlen weiter steigen, etwa durch ein mutiertes Virus, dann sei die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Brandl betont aber, dass die Mangelressource in den Krankenhäusern der Mensch sei. Es fehle weniger an Intensivbetten und auch nicht an Beatmungsgeräten. Aber das Personal in den Kliniken arbeite seit vielen Wochen am Limit. Der Bundestagsabgeordnete widerlegt die weit verbreitete Überzeugung, dass auf den Intensivstationen nur hochbetagte Menschen liegen würden. Der Altersdurchschnitt dieser Patienten sei inzwischen auf unter 60 Jahre gesunken.

Die Mutationen des Virus, die derzeit aus Südafrika und England kommen, bereiten dem Abgeordneten Sorgen. "Das Virus wird effektiver und es verbreitet sich deutlich schneller als das Ursprungsvirus." Man stehe damit vor der doppelten Herausforderung, die seit knapp einem Jahr laufende Pandemie plus eine drohende zweite vom mutierten Virus ausgelöste Pandemie bekämpfen zu müssen. Brandl verweist auf das Beispiel Irland, wo die Sieben-Tage-Inzidenz bis Mitte Dezember zwischen 30 und 40 schwankte. An Weihnachten habe man deshalb die Maßnahmen gelockert, mit der Folge dass die Inzidenz auf rund 900 hochschnellte. Derzeit verzeichne Irland immer noch einen Wert von etwa 600.

Vor allem gegen das mutierte Virus sei nur eine konsequente Reduzierung der Kontakte wirksam. In diesem Zusammenhang nennt er interessante Zahlen. So habe es in gewöhnlichen Jahren in Deutschland zwischen 180000 und 190000 gemeldete Grippekranke gegeben. Im Jahr 2020 seien dagegen nur 300 Grippefälle registriert worden. Offenbar sei es gelungen, die saisonale Grippe mithilfe der Kontaktreduzierung und der Masken drastisch zurückzudrängen.

Brandl geht auch auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ein. Bislang schneidet Deutschland hier besser ab als befürchtet. Das sei auch den staatlichen Übergangshilfen und dem Kurzarbeitergeld zu verdanken. "Ich befürchte aber für Ende des Jahres 2021 ein böses Erwachen."

Die Hilfszahlungen des Bundes würden allerdings viel Geld verschlingen. Im vergangenen Jahr habe die Neuverschuldung rund 200 Milliarden Euro betragen. Für das laufende Jahr befürchtet Brandl weitere Kreditaufnahmen in Höhe von 180 Milliarden Euro. "Ich hätte mir nach der Wirtschaftskrise in den Jahren 2009/10 nicht vorstellen können, dass wir so schnell wieder in eine derartige Situation kommen." Für die Jahre 2020 und 2021 habe der Bund die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt. Brandl geht allerdings davon aus, dass sie im kommenden Jahr wieder Wirksamkeit erlangt. "Die nächste Bundesregierung kann kein Geld verteilen", prognostiziert er. Es sei allerdings absolut richtig, zu sparen, um möglichst schnell zur Politik der schwarzen Null zurückzukehren.

Mit dem Krisenmanagement während der Corona-Pandemie ist Brandl nicht mehr zufrieden. Die Hilfsprogramme würden nur unzureichend funktionieren, derzeit verbringe er die Hälfte seiner Arbeitszeit damit, den betroffenen Bürgern zu helfen. "Das ist alles viel zu kompliziert und wird zu kurzfristig angekündigt." Das sorge bei den Bürgern für großen Verdruss.

Brandl bemängelt, dass der Lockdown nicht zwei bis drei Wochen früher ausgerufen worden ist. Allerdings waren damals im Oktober die Fallzahlen noch niedrig und die Akzeptanz für eine derartige Maßnahme wäre gering gewesen.

Die Kritik an den Pannen zu Beginn der Impfkampagne weist er zurück. Es sei eine riesengroße Leistung der Wissenschaft, in so kurzer Zeit einen Impfstoff zu entwickeln. Und verglichen mit der Größe der Aufgabe sei auch der Start der Impfaktion gut verlaufen. Bis Ende Januar werde man in Deutschland vier Millionen Dosen Impfstoff gespritzt haben, kündigt Brandl an. Diese Zahl werde sich bis Ende des ersten Quartals auf zehn Millionen Dosen erhöhen. Bezüglich gravierender Nebenwirkungen habe er bislang keine Informationen. "Das ist die wichtigste Impfung, die wir jemals auf der ganzen Welt hatten." Er selbst würde sich sofort impfen lassen, sagt der 43-Jährige.

Brandl wagt die Prognose, dass der derzeitige Impfstoff-Mangel in einigen Wochen behoben sein werde. Doch dann werde man Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit sich mehr Menschen impfen lassen. Denn für eine effektive Bekämpfung der Pandemie müssten sich bis zu 70 Prozent der Deutschen impfen lassen. Die Frage werde dann lauten: Wie steigern wir die Bereitschaft? Grundsätzlich werde der Impfstoff auch gegen die Mutationen Wirkung zeigen, glaubt Brandl. Vor allem bei den völlig neuen mRNA-Impfstoffen bestehe der Vorteil, dass sie sehr schnell an Mutationen angepasst werden könnten. Allerdings sei derzeit noch unklar, ob geimpfte Personen, die zwar nicht erkrankt sind, das Virus dennoch weitergeben können. Der Abgeordnete spricht sich gegen eine generelle Pflicht zur Impfung aus. Er setzt hier auf Überzeugungsarbeit, macht aber darauf aufmerksam, dass andere Staaten mit diesem Thema möglicherweise anders umgehen würden als Deutschland.

Während der Videokonferenz nutzen viele Altmannsteiner CSU-Mitglieder die Gelegenheit, den Abgeordneten mit ihren Fragen zu konfrontieren. Trotz der räumlichen Entfernung entsteht eine phasenweise lebhafte Debatte. Der christsoziale Ortsvorsitzende Kuffer kündigt an, dieses Format nach den Landtagswahlen im März zu wiederholen. "Es war ein sehr lehrreicher Abend mit einer konstruktiven Diskussion", sagt Kuffer. Er habe dabei viel erfahren.

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