Pförring
"Der Mensch braucht etwas für seine Erinnerung"

Markt Pförring ließ Gedenkstätte der Heimatvertriebenen renovieren - Segnung in aller Stille an Allerheiligen

30.10.2020 | Stand 23.09.2023, 15:07 Uhr
"Es ruhn in der Heimat viele": Der Markt Pförring hat die Gedenkstätte der Heimatvertriebenen renovieren lassen. Den Auftrag hat Bettina Buchner ausgeführt, deren Großvater die Gedenkstätte vor 65 Jahren geschaffen hat. −Foto: Kügel

Pförring - Der Markt Pförring hat das Denkmal renovieren lassen, das die Sudentendeutsche Landsmannschaft vor 65 Jahren hat aufstellen lassen.

An Allerheiligen gedenken hier bis heute Heimatvertriebene der Familienangehörigen, die in der alten Heimat begraben sind. Am Sonntag wird Pfarrer Michael Saller die Gedenkstätte in aller Stille segnen.

"Es ruhn in der Heimat viele. ,Herr' - laß sie ruhen in Frieden! Die Heimatvertriebenen - 1955", lautet die Inschrift auf dem Denkmal in der Nordwestecke des Pförringer Friedhofs. Die Totengedenkstätte der Sudetendeutschen Landsmannschaft ist im August 1956 feierlich eingeweiht worden, wie aus einem Bericht des DONAUKURIER hervorgeht. Warum es zu dieser Verzögerung gekommen ist, kann heute niemand mehr sagen. Auch Stefan Haser sen. nicht, der damals "als junger Bursch" dabei war, erinnert sich nur noch daran, dass das Denkmal an einem Sonntag nach dem Gottesdienst feierlich eingeweiht worden ist: "Mit Blasmusik, Ansprachen und vielen Leuten. "

Wie er freut sich auch Rosi Wolfsfellner, dass die Gemeinde das Denkmal hat herrichten lassen. Für die Heimatvertriebenen, die in Pförring noch kein Familiengrab hatten, sei das lange Zeit die einzige Möglichkeit gewesen, ihrer toten Angehörigen zu gedenken. "Meine Großmutter Maria Botzang ist in Paks, der Partnergemeinde von Reichertshofen, in Ungarn begraben, mein Großvater Nikolaus hier". So lange sie besser zu Fuß war, ist sie deshalb bei jedem Friedhofsbesuch auch an dem Denkmal vorbeigegangen: "Der Mensch braucht doch etwas für seine Erinnerung! " Hier könne man der verstorbenen Verwandten gedenken, wie man es auch bei im Ausland gefallenen Soldaten tut, sagt sie.

"Mein erster Besuch in der alten Heimat galt dem Grab der Oma", erzählt Rosi Wolfsfellner. Da sei sie enttäuscht gewesen, dass man die Gräber der Deutschen hat verkommen lassen. Sie hätte sich gewünscht, dass die Grabsteine der Deutschen als Denkmäler in eine Ecke versetzt worden wären wie in anderen ungarischen Gemeinden. Aber schließlich habe man es aufgegeben, mit dem dortigen Bürgermeister zu reden. "Unser Ungarisch ist in all den Jahren schlecht geworden, und die junge Generation hat kein Verständnis, weil sie diese Zeit voller Elend und Tränen nicht mehr nachfühlen kann". Umso mehr freut sie sich, dass das in Pförring offenbar anders ist und die Gemeinde das Denkmal hat renovieren lassen.

Mit elf Jahren kam Wolfsfellner am 16. Juli 1946 - nach einer kurzen Zwischenstation in Dachau - "mit Staunen und Angst" auf einem Lastwagen nach Pförring: "Es hat geregnet, war dunkel und kalt und wir hatten Hunger! - Das war kein schöner Empfang ", erinnert sich die 85-Jährige. Ihre Gruppe wurde anfangs beim Zöpflwirt einquartiert, die zweite beim Böhmwirt. Später wurden ihnen Zimmer in Privathäusern zugewiesen. "Das war auch für die Pförringer nicht schön", weiß die lebenserfahrene Frau. "Und uns war es peinlich, in einem fremden Zimmer wohnen und auf einem fremden Ofen kochen zu müssen. " Besonders schlimm sei es für ihren Opa gewesen, der über Nacht von einem Bauern zu einem Niemand geworden sei. Und für ihre Mutter: "Wenn meine Mutter gesagt hat, ich habe keinen Hunger, dann habe ich gewusst, dass die Lebensmittelmarken nicht fürs Brot gereicht haben". Ihr Vater, der nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nicht nach Hause konnte, ist in Würzburg gestrandet und hat seine Familie nur durch Zufall entdeckt: "Weil er am Bahnhof Leute mit Hausschuhen gesehen hat, wie man sie bei uns im Dorf getragen hatte. "

"Corona ist schrecklich, aber kein Vergleich mit dieser Zeit - wir mussten den Krieg verdauen", resümiert die Heimatvertriebene schließlich, die als letzte noch ihren alten Dialekt spricht. "Das beste an den vergangenen 70 Jahren war, dass es keinen Krieg gab, denn der bringt nur Tod und Elend", sagt Wolfsfellner und hofft, dass die heutige Generation daran erinnert wird, wenn sie an dem Denkmal der Heimatvertriebenen vorbeikommt.

"Dass es der Markt Pförring renoviert hat, ist nicht nur eine wunderbare Geste, das tut gut, danke! "

DK

Sebastian Kügel